Szenen einer Ehe

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Bei "Lügen über meine Mutter" handelt es sich um einen autofiktionalen Roman, in dem Daniela Dröscher ihre Kindheit reflektiert.
Es spielt in den 80er Jahren in einem kleinen Dorf im Hunsrück. Die zu Beginn 7-jährige Ela erzählt von ihrem Familienleben, welches geprägt ist von einem dominanten Vater. Die Mutter ist übergewichtig und der Vater macht dieses Übergewicht für alles verantwortlich.. für seine fehlende Beförderung, fehlende Anerkennung im Dorf usw. Für quasi alles muss sie als Sündenbock herhalten.
Diese verbale und psychische Gewalt ist teilweise wirklich schwer zu ertragen. Oftmals fehlte mir die Lust den Roman in die Hand zu nehmen und von diesem grässlichen Vater mit seinem Herr-im-Haus-Syndrom zu lesen. Am schlimmsten fand ich, dass auch die kleine Ela irgendwann automatisch die Ansichten des Vaters übernimmt.
Die Mutter ist zum Glück kein kleines graues Mäuschen. Sie ist eine Powerfrau, die wirklich gefordert wurde im Leben mit Arbeit, zwei Kindern, Pflege der Eltern und trotzdem hat sie ein so großes Herz und nimmt lange Zeit noch ein Pflegekind auf. Dennoch lässt sie sich zu lange zu viel gefallen und es wird ein harter Weg für sie, sich endlich ihre Freiheit zu erkämpfen.
Mit hat die Erzählstimme der kleinen Ela sehr gut gefallen, es hatte etwas tragikomisches. Nach jedem Kapitel erhalten wir eine Nachbemerkung der Autorin zu den Geschehnissen aus heutiger Sicht. Das Buch verstehe ich daher als eine Art Aufarbeitung.
Es dreht sich viel im Buch um das Gewicht der Mutter, aber letzten Endes verstehe ich es auch als Psychogramm einer Familie und kulturelles Zeitzeugnis über die Familienstrukturen in den 70er und 80er Jahren.
Mir hat der Roman bis auf ein paar Längen sehr gut gefallen. Da er sehr viel Diskussionsstoff bietet, kann ich auch sehr empfehlen ihn in einer Lesegruppe zu lesen!