Vom Ertragen einer demütigenden Ehe

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Ich habe lange überlegt, worum es in diesem Buch in erster Linie geht und bin dann auf diese Überschrift gekommen. Denn grundsätzlich fragt man sich immer wieder: warum lässt diese Frau sich das so lange gefallen? In den 80er Jahren war es nicht mehr so, dass eine Frau dem einmal geheirateten Mann ausgeliefert war, sie hätte sich sofort scheiden lassen können, besonders auf Grund der Tatsache, dass sie mit ihren Kenntnissen sicher einen Job gefunden hätte.
Es geht um ein junges Paar in einem kleinen Dorf im Hunsrück. Der Mann strebt nach Beförderung und sozialer Anerkennung, aber immer wenn er diesbezüglich einen Rückschlag erleidet, macht er dafür seine Frau verantwortlich bzw. deren Körperfülle, die in seinen Augen nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht. Immer wieder muss sie demütigende Szenen erleben und lässt diese an sich abprallen. Ihre Erfolge werden niedergemacht und kritisiert, ja sie wird sogar provoziert, z.B. indem er ihr Parfüm schenkt, was sie überhaupt nicht mag. Nie kommt es zu klärenden Gesprächen zwischen beiden, es ist eine Ehe mit geringer Kommunikationsbreite. Dabei hat man stets das Gefühl, dass diese intelligente Frau eine endgültige Lösung schaffen könnte, schlimmstenfalls dass sie ihn verlässt.
Ganz verlogen wird die Beziehung, als die Frau eine große Summe erbt, und der Mann große Pläne für die Zukunft macht. Durch finanzielle Unabhängigkeit könnte sie ein unbeschwertes und selbst bestimmtes Leben führen, aber sie wählt den einfacheren Weg und fügt sich ihrem Mann, besonders da er angesichts des Geldes seine Demütigungen ihr gegenüber reduziert.
Man hat als Leser stets das Gefühl, dass man der Frau helfen müsste, aus dieser kläglichen Situation zu entkommen. Dabei hat man nicht den Eindruck, dass die Frau generell zu schwach wäre, denn sie hat ihren eigenen Willen und setzt diesen durch, auch möchte sie ihre eigene Identität wahren. Ich denke, in den 80ern war die heutige Selbstverständlichkeit, eine unschöne Beziehung zu beenden, noch nicht so ausgeprägt und wurde mitbestimmt durch die Einstellung der eigenen Eltern und des sozialen Umfelds.
Ich habe das Buch gern gelesen und Vergleiche herangezogen zu einer Beziehung im näheren Bekanntenkreis, die auch so unglücklich verlief. Auch haben mir die Rückblicke auf die typischen 8oer-Attribute, wie z.B. die Bazookas, Makramee und auch die selbstgebastelten Hexen, die in den Fenstern hingen. Auch gab es Schmunzel-Szenen, z.B. die Vertreibung der braunen Michaela ;-)
Besonders für alle diejenigen, die einen Bezug zu den 80ern haben, spreche ich eine eindeutige Leseempfehlung aus. Ein Buch, das die Aufnahme in die Longlist des Deutschen Buchpreises durchaus verdient hat!