"ZU"

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Eines vorweg: Dieses Buch ist bis jetzt mein absolutes Jahreshighlight! Es macht wütend, es ekelt an, du willst es schütteln damit diese Geschichte aufhört und zugleich fesselt es dich so sehr, dass du es nicht aus der Hand legen kannst.
Wir befinden uns mitten in den 80er Jahren in einem "Kammerspiel namens Familie". Der Vater empfindet die Mutter als "zu" dick. Deshalb wird er in der Gesellschaft nicht geachtet, erst recht nicht befördert und was er nicht alles sein könnte, wenn sie endlich mal nicht mehr so dick wäre. Diese Autofiktion beinhaltet so viele Ungerechtigkeiten, dass man mit dem Aufzählen gar nicht mehr hinterherkommt. Körperliche Degradierung, Finanzielle Ausbeutung, ungleich verteilte (gelinde gesagt) Care-Arbeit, Objektifizierung der Frau, toxische Männlichkeit on point und und und. Es ist krass und kaum auszuhalten, dennoch nicht übertrieben geschrieben. Die Autorin schafft es diese Tragödie teilweise aus Sicht der 8-jährigen Tochter, teilweise aus der Perspektive des Erwachsenen-Ich perfekt zu inszenieren. So perfekt, dass man am Ende gar nicht mehr weiß, ob das jetzt ein autobiographischer oder ein fiktiver Teil der Geschichte ist, den man da gerade mit angehaltenem Atem gelesen hat.

"Lügen über meine Mutter" hat es vollkommen zurecht auf die Shortlist geschafft. Meiner persönlichen Meinung nach hat es so einen großen Erfolg, da diese Ungerechtigkeiten bei jedem von uns irgendwo ins Schwarze treffen. Nicht zuletzt deswegen ist ein viel zitiertes Zitat genau dieses hier: "In dem Kammerspiel mit Namen Familie wird das Kind nicht selten zum Blitzableiter der Kräfte, denen die Frau im Patriarchat unterworfen ist." Autsch. Das hat gesessen.