Verstörend gut

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marimirl Avatar

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Inhalt:
Michaela lebt mit ihrem Mann David und ihrer Tochter Karla etwas außerhalb Frankfurts. An ihrem Geburtstag sagt ihr Mann, dass er sie nicht mehr liebt. Doch ein paar Stunden später behauptet er, er hätte das nie gesagt. Kurz später ruft Karlas Lehrerin an, da Karla einen Unfall hatte, doch Michaela trotz eines Anrufs Stunden früher noch immer nicht im Krankenhaus erschienen ist. Michaela kann sich nicht an den Anruf erinnern. Was ist bloß los mit ihr? Um das herauszufinden, beschließt sie sich eine Auszeit zu nehmen und zieht für einige Zeit in eine Wohnung in Frankfurt.

Meine Meinung:
Am Anfang konnte mich der Schreibstil nicht ganz überzeugen, aber ich hatte mich schnell daran gewöhnt. Ich bin eher ein Fan von Ich-Erzählern, und brauche immer etwas um mich in eine Erzählung aus der dritten Person hineinzufinden. Zwischendurch liest man immer mails von Michaela bester Freundin an Michaela.
Ich dachte eigentlich vom ersten Kapitel an, ich wüsste, wie das Buch enden wird. Es scheint doch offensichtlich, dass Michaelas Mann dahintersteckt und sie nicht wirklich verrückt wird. Das Buch kann den Leser jedoch einige Male überraschen und verunsichern. Irgendwann war ich mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich denn Recht behalten würde. Die Geschichte ist durchwegs spannend und das auf allen Ebenen: Das Buch handelt von Liebe, Liebeskummer, Freundschaft, traumatischen Erlebnissen, Verarbeitung der Kindheit, dem Mutterdasein und vielem mehr. Es wird einem Einblick in die Psyche verschiedenster Typen von Mensch gewährt. Es sind nicht alle Charaktere unbedingt sympathisch, aber das müssen sie auch nicht sein. Mir war Michaelas beste Freundin zum Beispiel von Anfang an nicht ganz geheuer. Sie ist einfach nicht der Typ Frau, den ich mag. Auch Michaela war mir nicht sonderlich sympathisch - sie hat ihre Fehler und Eigenschaften, die sie nicht bei jedem beliebt machen. Dann gibt es da noch Lena, ein eher alternatives Mädchen, das um das Überleben kämpft und sich irgendwie durchschlägt. Auch sie hat ihre Fehler. Es finden sich eigentlich keine Charaktere, die perfekt erscheinen. Das hat mir sehr gut gefallen, da dies das echte Leben widerspiegelt. Umso bewusster ist man sich aber auch, dass diese Geschichte - sei es Michaelas Leben voller offener Fragen oder Lenas Kampf - jeden treffen kann. Ich muss zugeben, ich fand das Buch auch ein bisschen verstörend. Das ist aber gar nicht negativ gemeint. Dadurch dass ich mich mit einigen Charakteren zum Teil identifizieren konnte, bewegt das Buch und regt zum Nachdenken an. Es verunsichert, es berührt, es schüttelt einen durch - so genau kann ich es gar nicht beschreiben. Jedenfalls war sofortiges Einschlafen danach nicht möglich.
Auch wenn das Ende letztendlich zumindest zum Teil vorhersehbar war (es gab aber auch Überraschungen), blieben ein paar Fragen doch offen. Man kann sich darüber streiten, ob das nun gut ist oder nicht. Man beschäftigt sich wohl länger mit dem Buch, wenn es noch Dinge zu klären gibt. Für mich gibt es allerdings eine große Ungereimtheit - vielleicht habe ich es nicht mitbekommen, vielleicht wurde es tatsächlich nicht erwähnt - die mich einen Punkt abziehen lässt.