Glück, Verlust, Wehmut, dicht an dicht

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manjula Avatar

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Was tun, wenn von einem engen Freundespaar nur eine(r) von Anfang an verliebt ist? (Ist es dann überhaupt Freundschaft?)

Robert liebt Frie schon seit kurz nach ihrem Kennenlernen in der Oberstufe in den späten achtziger Jahren. Frie verliebt sich aber nicht in Robert, sondern sieht ihn nur als sehr guten Freund, mit dem sie (fast) alles teilen und auf den sie sich verlassen kann. Nach der Schulzeit und über die Jahre entfernen sie sich voneinander und kommen sich doch auch wieder näher. Dabei erkennt Frie irgendwann, dass sie wohl doch in Robert verliebt ist. Aber ist es da schon zu spät, alle Chancen verschenkt? Als sie um die dreißig sind, zieht es sie dann doch endlich zueinander. Was aber nicht funktioniert - die Leben der beiden passen nicht mehr zusammen. Sie sagen sich, dass sie es ja mit 50 nocheinmal miteinander versuchen könnten, falls sie dann solo sind. Und tatsächlich hält sich Robert, der emotional von Anfang an viel tiefer verstrickt ist, an diese für ihn magische Zahl. So weit so vorhersehbar. Natürlich läuft es auch dann nicht unkompliziert.

Ja, auch nur eine Variante von Boy meets Girl - aber schön gemacht. Und auch wenn der Plot zunächst vorhersehbar klingt, habe ich von Anfang bis Ende mitgefiebert, was aus den beiden werden könnte und wird.

Julia Karnick hat hier ein Buch geschrieben, das zugleich wehmütig und glücklich macht. Mit viel Identifikationspotential und einigem Ach-hätte-doch und was-wäre-gewesen-wenn und kann-das-überhaupt-noch-was-werden-jetzt-wo-schon-so-viel-Leben-getrennt-gelebt-ist? Oh, und: Was-ist-mit-all-der-verlorenen-gemeinsamen-Zeit? Zumindest bei mir hat die Geschichte diese Fragen ausgelöst, aber Karnick bietet einen interessanten Ansatz, bei dem all das gar nicht so wichtig ist.

Die Charaktere Frie und Robert sind gut und nachvollziehbar gezeichnet - alle beide haben ihre Widersprüche und auch ihre Abgründe; die von Frie werden etwas schärfer dargestellt als die von Robert.

Die Geschichte ist gut lesbar, ohne dadurch platt zu werden, und zeitgemäß geschrieben, abwechselnd aus der Sicht von Frie und von Robert. Der Soundtrack passt zur Zeit und den Personen, und wie sie kommunizieren auch (das gelingt ja nicht immer in Romanen; aber es ist eben auch die Geschichte von Julia Karnicks eigener Generation). Wie Robert und Frie ihre Leben erleben, liest sich deshalb authentisch (vielleicht mit Ausnahme von Roberts Entwicklung in den späteren Jahren).

Das Cover und die wertige Gestaltung des Buches gefallen mir ebenfalls sehr.

Von mir eine klare Leseempfehlung! Vielleicht mit ein bisschen spätjugendlicher Nostalgie…