Bewegende Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft

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marionhh Avatar

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Nelson Mandela verbrachte insgesamt 27 Jahre im Gefängnis. Von diesen 27 Jahren war Christo Brand 13 Jahre lang sein Gefängniswärter, zuerst auf Robben Island und später dann in Pollsmoor. Diese beiden Männer völlig unterschiedlicher Herkunft, die mehr als 40 Jahre Altersunterschied trennte, wurden Freunde.

Brand, ein weißer Landarbeitersohn burischer Abstammung, wurde 1960 geboren und hatte eine glückliche Kindheit auf dem Land. Die Familie war gänzlich unpolitisch und lebte zusammen mit Farbigen und Schwarzen und bewirtschaftete mit diesen gemeinsam die gepachtete Farm des Vaters. Dass ab und an einmal ein Schwarzer spurlos verschwand, machte den jungen Christo zwar traurig, aber er hinterfragte keine Hintergründe. Um nicht zum Wehrdienst zu müssen, meldete er sich nach der Schule für die Ausbildung zum Gefängniswärter an und bewarb sich schließlich nach dem Abschluss um eine Stelle auf Robben Island – ohne zu wissen, dass dort die hochwichtigen politischen Gefangenen aus dem Rivonia-Prozess von 1963 ihre lebenslange Haftstraße abzusitzen hatten, sondern einfach weil es in der Nähe zum Haus seiner Eltern lag. Seine politische Unbedarftheit – und die richtigen Antworten zum richtigen Zeitpunkt – sicherten ihm die Stelle und die Betreuung der für die Regierung wichtigen Insassen.

Als Mandela und Brand aufeinander trafen, war Mandela bereits 60 und Brand gerade 18, doch der Respekt, der Mandela ihm entgegen brachte, und das Verständnis dafür, dass Brand einfach seinen Job tat und für bestimmte Sachen schlichtweg gefeuert werden konnte, ließ Brand seine von der Gefängnisleitung geforderte Distanziertheit zu den Insassen vergessen und ihnen immer mehr - im Rahmen seiner Möglichkeiten – kleine, manchmal illegale, Zugeständnisse zu verschaffen und so Erleichterung und sogar Freude in ihren Gefängnisalltag zu bringen. Dabei half ihm sicherlich sein durch und durch herzensguter, bescheidener Charakter und seine von Haus aus nicht von Rassenhass geprägte Erziehung.

Das schön gebundene Buch besticht durch seine klare, prägnante und leicht verständliche Sprache. Brand beginnt mit dem Bericht über seine Kindheit und seine Ausbildung zum Gefängniswärter und schildert auch die politischen Ereignisse. So bildet er die Brücke zu den politischen Gefangenen und zum System Apartheid und erklärt, warum gerade diese Gruppe so wichtig für das Apartheids-Regime war. Danach schildert er sehr eindrücklich sein Kennenlernen mit den politischen Gefangenen, die zu dem Zeitpunkt und einige Zeit danach, z.B. bei Ronald Reagan und Margaret Thatcher, als Terroristen galten, und in der Folge die Abläufe im Gefängnisalltag. Der Leser erhält tiefe Einblicke in die Entscheidungen und Motive Brands und ist tief bewegt von der engen Verbundenheit und Loyalität der Gefangenen untereinander. Mitunter lehnte sich Brand ziemlich weit aus dem Fenster und riskierte damit nicht einfach nur seinen momentanen Job, sondern auch seine Karriere und seinen Ruf und damit die Existenz seiner Familie. Bei aller Unbedarftheit verfügte Brand jedoch auch über ein hohes Maß an Raffinesse, indem er den richtigen Leuten bei passender Gelegenheit die richtigen Antworten gab und diese so zufriedenstellte. Daraus resultierend blieb er für viele Jahre der Wärter der brisantesten politischen Häftlinge und knüpfte so nicht nur ein enges Band zu Mandela, sondern auch zu dessen Mitstreitern und besonders zu Ahmed Kathrada. Dieser schrieb ein zu Herzen gehendes Vorwort, in dem deutlich wird, wie viel den Häftlingen Brands Menschlichkeit bedeutet hat. Da wundert es fast nicht mehr, dass Brand auch nach der Entlassung und der nachfolgenden politischen Karriere seiner Schützlinge mit diesen befreundet blieb und von diesen im Job protegiert wurde. Gespickt ist das Buch außerdem mit einigen sehr schönen Fotos nicht nur Mandelas und seiner Mitstreiter, sondern auch mit privaten Fotos von Brands Familie.

Brand verheimlicht auch nicht seine privaten Tragödien und er versucht immer seine Entscheidungen zu erklären und seine Gefühle offen darzulegen. Dabei besticht er durch große Bescheidenheit, man merkt, er hätte gerne mehr getan, war aber teilweise ebenso Opfer des Systems und gefühlsmäßig dessen Gefangener wie seine Häftlinge. Am liebsten bleibt er im Hintergrund und bringt seine Bewunderung und Zuneigung für die großen Männer in seiner Arbeit – er ist nach wie vor auf Robben Island als Leiter des Museums tätig – zum Ausdruck. Dabei ist er sich stets bewusst, dass er ebenfalls Teil ihrer Geschichte ist und zusammen mit ihnen Geschichte schrieb.

Fazit: Ein bewegendes, gut geschriebenes Buch über einen großen Mann, vor allem jedoch über dessen Freundschaft mit einem wunderbaren und herzensguten Menschen, der mit seiner Charakterstärke und Menschlichkeit die Welt der Häftlinge ein bisschen besser gemacht hat und viel dazu beiträgt, dass die Leistung Mandelas und seiner Mitstreiter nicht vergessen wird.