Traurig

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
ele Avatar

Von

Marianengraben, Roman von Jasmin Schreiber, 256 Seiten erschienen im Eichborn-Verlag
Über die Trauer, Depressionen, über die Bewältigung des Verlusts eines geliebten Menschen.
Paula hat der Tod ihres geliebten kleinen Bruders in tiefe Depressionen gestürzt. Ihr Therapeut rät ihr das Grab ihres Bruders zu besuchen, um ganz alleine dort zu sein beschließt sie es bei Nacht zu tun. Sie begegnet Helmut, der gerade die Urne seiner verstorbenen Lebensgefährtin ausgräbt. In dieser skurrilen Situation nähern sich die beiden einander an und beschließen, sich zusammen auf einen Roadtrip zu begeben, der sie beide zu sich selbst zurückbringt - auf die eine oder andere Weise.
Das Buch ist in überschaubare Kapitel aufgeteilt die mit Zahlen überschrieben sind, beginnend bei 11000 bis 0, 11000 Meter Tiefe, so tief wie der Marianengraben, der tiefste Punkt der Erde. So viel, wie Paula ihren Bruder Tim liebgehabt hat. So tief wie ihre Trauer, ihr Kummer und ihr Schmerz gehen und mit jedem Kapitel, mit jeder Reiseetappe und mit jedem Gespräch der beiden Charaktere, verringert sich die Zahl, was für eine gelungene Metapher. Jasmin Schreiber, die ehrenamtlich als Sterbebegleiterin arbeitet, weiß wovon sie schreibt und das merkt man diesem Roman in jedem einzelnen Wort an. Sie hat als Erzählstil die Ich-Form aus der Sicht von Paula gewählt. Immer wieder sind ihre Gedanken auch direkt an Tim gerichtet. Äußerst bildhaft ist die Geschichte erzählt. Sätze die mich zum Lachen aber auch zum Weinen gebracht haben, z.B. „An meinem Kühlschrank hängt bis heute ein Graph auf dem man sieht, wie ein menschliches Herz zerbricht". Manchmal musste ich das Buch aus der Hand legen, weil mich die Erzählung so berührt hat, dass ich nicht weiterlesen konnte. Für mich auch ein schmerzhaftes Buch, denn ich kann eine Parallele zu den Erlebnissen in meinem eigenen Leben ziehen. Paulas Gedanken habe ich des Öfteren auch gedacht in der Vergangenheit. Die beiden Protagonisten Paula, wie auch Helmut sind etwas komisch, bzw. kauzig. Aber je näher man sie kennenlernt, desto mehr kann man sie ins Herz schließen, umso sympathischer sind sie mir geworden. Die Frage nach dem - wie lebt man weiter, wenn ein geliebter Mensch stirbt – ist hier sehr gefühlvoll beantwortet, finde ich. Es ist ein Buch, das ich jedem empfehlen möchte, nicht nur den Trauernden. Traurig, schmerzhaft und wunderschön. Eine meiner Lieblingsszenen im Buch: Ein Dialog zwischen Paula und Tim, bei der Tim zu seiner Schwester spricht: Und wenn dann einer von uns tot ist, dann muss der andere weiter liebhaben, dann geht das schon. Von mir 5 Punkte