Lässt sehr stark nach

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Rezension zu: Master Class

Prämisse:

Das junge Schreibtalent Riley bekommt, mitsamt ihrer Online Schreibgruppe, die Chance in das Finale des Young Talent Awards einzuziehen, was sie ihren, Ziel Autorin zu werden näherbringen würde. Doch während des Wettbewerbs tauchen unter den Manuskripten Texte auf. die von ihr handeln, zudem muss sie sich ihrer aufkeimenden Liebe stellen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die folgende Rezension leichte Spoiler enthält. Ich werde nichts schreiben, was die Lektüre völlig verderben könnte, aber wer partout nicht gespoilert werden möchte, dem rate ich unmittelbar zum Fazit überzugehen.

Bewertung:

„Master Class“ beginnt nahezu perfekt. Die ersten Seiten bestehen aus einer kurzen Vorstellung der Schreibgruppe, der Einladungs E-Mail und einem Chatgespräch. All das zusammengenommen exposiert perfekt die Ausgangssituation und auch von den Figuren bekommt man einen guten ersten Eindruck, was mich mit großer Vorfreude auf einen, Schreibwettbewerb mit interessanter Charakterdynamik und einen spannenden Mysterium zurückließ.
Und bedingt dadurch, dass Riley ihre Schreibfamilie nun erstmals persönlich kennenlernen wird wird, ein weiterer Spannungsfaktor ins Spiel eingebracht, nämlich ob die Schriftsteller genauso sind wie sie sich Online präsentieren und wirken oder eben nicht. Die Antwort lautet übrigens ja, was für mich einen weiteren Pluspunkt darstellt. Auch sehr interessant ist, dass Riley und ihre Schreibfamilie sich im Rahmen der ersten Aufgabe erst durch den Schleier einer literarischen Rolle identifizieren müssen.
Doch hier offenbaren sich schon die ersten Risse, welche im weiteren Verlauf des Buches zu Schluchten mit den Ausmaßen des Grand Canyons anwachsen und so das Gesamtbild fürchterlich verunstalten. Denn diese Szene wird nur als Setup für den Beginn einer Liebesgeschichte statt der ernsthaften Identifizierung der Teilnehmer genutzt (zu der Liebesgeschichte komme ich noch), was für sich genommen noch zu verschmerzen wäre und den Gesamteindruck weitesgehend unangetastet lassen könnte, wenn es nur dabei bleiben würde. Doch auch wie die eigentlich doch so interessanten und diversen (wenn ich von divers schreibe meine ich „Im Sinne der Persönlichkeit“) Figuren genutzt werden ist wirklich erschütternd. Zunächst einmal sind es viel zu viele, allein Rileys Schreibfamilie umfasst – sie selbst eingeschlossen – 10 Personen, mit allen weiteren relevanten Figuren beträgt die schlussendliche Anzahl der Figuren 16. Das ist für ein Buch von 340 Seiten einfach zu viel. Das führt dazu das einzelne Figuren vernachlässigt werden. was sich auch deutlich in der Qualität des Buches niederschlägt. Es gibt Bücher die es schaffen eine umfangreiche Gruppe von Figuren auf relativ wenigen Seiten gut zu präsentieren. Diese da wären: Lupus Noctis (6 und 1 Figuren auf 430 Seiten) , Perfect Storm (6 und 1 Figuren auf 400 Seiten und Bloody Weekend (9 Figuren auf 340 Seiten), aber es gibt gewisse Regeln die man als Autor unbedingt beachten sollte, wenn man auf einer solchen Seitenanzahl viele Figuren mehr oder weniger gleichberechtigt auftreten lassen möchte, die alle oben genannten Bücher befolgen, „Master Class“ hingegen nicht.
1. Etabliere alle deine Figuren, verleihe ihnen wenige aber definierende und einzigartige Eigenschaften: Lupus Noctis widmet jeder Figur eine kurze Einführunsgszene, Perfect Storm stellt seine Charaktere erst durch Akten vor und danach stellen sie sich in der Interaktion noch einmal selber vor, Bloody Weekend stellt seine Figuren ebenfalls in einzelnen Szenen vor die über das Buch verteilt sind. „Master Class“ schafft es zwar die Online personas seine Figuren gut zu etablieren aber ihre echten Persönlichkeiten nicht.
2.Achte auf eine ausgewogene Interaktion in der die etablierten Eigenschaften zum tragen kommen: Lupus Noctis und Perfect Storm setzen alle ihre Figuren bis auf eine in einen geschlossen Raum (Bunker, Chatraum) und lassen sie ausgewogen miteinander interagieren und auch in Bloody Weekend interagieren die Charaktere so miteinander, dass keine Figur unnötig wird, wobei alle Figuren einen individuellen Kommunikationsstil haben. Das hat auch den netten Nebeneffekt, dass die Figuren sich praktisch von selbst und beinahe nebenbei weitergehend charakterisieren. In „Master Class“ könnten mehrere Figuren ohne Probleme gestrichen oder zusammengelegt werden, da das Buch sich auf einige Figuren stärker fokussiert und dadurch andere vernachlässigt. Die Charakterinteraktion mit der Schreibgruppe wird zudem oft eher zusammengefasst, worunter die Charakterisierung leidet, was die Figuren nur noch blasser werden lässt.
3. Fokussiere dich bei der Charakterisierung auf das wichtigste: Wenn man eine derartige Anzahl von Figuren auf wenigen Seiten gut agieren lassen, eine gute Geschichte erzählen und vielleicht auch noch etwas aussagen möchte, dann ist es unabdingbar seine Figuren etwas simpler zu charakterisieren. Eine Regel welche die drei Positivbeispiele befolgen, bis auf einer Ausnahme in: „Lupus Noctis“ haben die Figuren keine verborgenen Seiten. Normalerweise schätze ich, dass Vorhandensein solcher tieferer Schichten durchaus aber wenn man ein Buch unter 450 Seiten mit zahlreichen Figuren schreibt schadet es dem Buch nur, da es überladen wirkt und die Figuren verblassen.
Und auch wenn nicht alle Figuren schlecht sind wird bei zu viele, besonders bei Ezra zu viele Potential verschwendet. Unter diesen leider mangelhaften Charakterisierung leidet aber auch der Schreibwettbewerbplot. Denn die einzigen Texte die den Leser gezeigt werden sind die von Riley und ihren Stalker, von allen anderen erhalten wir nur die Bewertung. Aber auch der allgemeine Plot ist leider enttäuschend.
Wer es beispielsweise liebt mitzurätseln, der kann sich bei diesem Buch die Mühe sparen. Man kann den Täter nicht entlarven bevor das Buch es forciert. Des weiteren sind, manche Szenen einfach zu vorhersehbar. Was zu Beginn auch am den Umschlag liegt. Die Umschlaginnenseite und der Klappentext nehmen einen früh im Buch erfolgenden Twist vorweg und die Rückseite des Buches offenbart die Existenz eines Cliffhangers und einer Fortsetzung. Der Schreibstil des Buches ist in Ordnung, jedoch könnte er – angesichts des Themas - noch etwas literarischer sein und mich persönlich hat das ständige Gendern in diesem Buch sehr gestört. Ich werde hier nicht weiter ausführen wieso mich das Gendern im allgemeinen stört, auf „Master Class“ bezogen stört es den Lesefluss. Auch die bereits im Titel präsenten Anglizismen habe ich als sehr störend empfunden. Um einmal auf die Hauptfigur Riley schreiben zu kommen: Sie ist solide. Das ist allerdings insofern bedauerlich, da ihr Charakter noch deutlich mehr Potenzial gehabt hätte. Mit ihren überbehütenden Eltern ihre Liebe zum Schreiben welche sich auch in ihren Gedanken äußerst, sind alle Aspekte für eine tiefgründige Figur gegeben, was auch immer wieder durchschimmert. Doch durch ihre voreilige und impulsive Art, hat Riley im Lauge des Buches meine Symphatien Stück für Stück eingebüßt. Zudem ist mir aufgefallen, dass Riley und die Autoren sich sehr ähneln, denn Riley schreibt genauso (oder möchte genauso schreiben) wie die Autorin des Buches - nämlich spannend und romatisch - was allein schon an den Klappentexten aller weiteren Bücher von Frau Haas erkennbar ist. Wo ich gerade beim Thema bin: Ich muss auch noch über die Liebesbeziehung dieses Buches schreiben. Ich habe im allgemeinen keine hohe Meinung von Liebesgeschichten in Jugendbücher, welche keine expliziten Liebesromane sind sondern sie nur parallel zum eigentlichen Plot verlaufen auch wenn es (wenige) positive Ausnahmen gibt. Sollte mich in Zukunft irgendwann einmal jemand fragen was ich denn für ein Problem mit Liebesgeschichten in Jugendbüchern hätte, könnte ich mir theoretisch meine Argumente sparen und einfach nur „Master Class“ sagen. Diese Liebesgeschichte vereint alles in sich was mich in den vergangen Jahren gelehrt hat diesen Nebenplot aus tiefstem Herzen zu verabscheuen.
1. Sie ist vollkommen unnötig: Wie in viel zu vielen anderen Büchern könnte das Subjekt der Begierde auch einfach nur ein guter Freund sein oder (wie hier) komplett aus dem Buch entfernt werden. Aber heute braucht es wohl in jedem einzelnen Jugendbuch eine Liebesgeschichte. Dystopie, Fantasy, Coming of Age, Thriller, Krimi, Mystery. Gleichgültig welches Subgenre einem in den Sinn kommt, es hat eine Liebesgeschichte. Es scheint nicht mehr ohne zu gehen. Ausnahmen sind seltener als Wasser in der Wüste, was mir offengestanden unbegreiflich ist. Das alles wäre ja nicht sonderlich dramatisch, gäbe es da nicht den zweiten Punkt.
2. Sie ist invasiv: Die Liebesgeschichte als Nebenplot ist in ihrer schlimmsten Ausprägung wie ein Virus. Sobald sie sich eingenistet hat, attackiert sie andere Elemente (tiefere Charakterisierung, bessere Inszenierung, Tiefgründigkeit), vernichtet sie, wobei sie nur ihre sterblichen Überreste (erkennbares Potential) zurücklässt, nimmt ihren Platz ein und tötet den Wirt (das Buch) schlussendlich ab. Wenn die Liebesgeschichte wenigstens ein gutartiger Virus wäre, der eine Form literarischer Qualität durch eine andere ersetzt, wäre auch dies noch zu verschmerzen. Aber es gibt ja auch noch:
3. Sie ist nicht nur klischeebeladen sondern fast immer dasselbe: Zwei Menschen verlieben sich ineinander lässt naturgemäß nicht viel Raum für relevante Variationen, sodass zwangsläufig in der Jugendliteratur dieselben Archetypen und Klischees immer und immer wieder auftauchen, so auch hier. Die Liebesgeschichte in „Master Class“ folgt sklavisch der „Graues Mäuschen und Badboy Formel“. Die beiden treffen zufällig aufeinander, sind sofort ineinander verliebt, doch der Badboy behandelt das Mäuschen aus fadenscheinigen und dummen Gründen abweisend und/oder widerlich, sie jedoch verzeiht ihm alles, die ersten körperlichen Annäherungen und Liebesbekundungen werden ausgetauscht, doch dann geschieht ein Drama und ein Streit, was in den meisten Fällen völlig vermeidbar gewesen wäre, aber natürlich vertragen sich die beiden wieder und sind verliebter denn je. Für so etwas habe ich dieses Buch nicht gelesen. Das schlimmste an der ganzen Sache ist, das Stefanie Haas ganz genau weiß wie klischeehaft der Badboy in diesem Buch ist, sie sagt es durch ihre Figuren aber es scheint ihr egal zu sein. Ich habe schon viele schlechte Bücher gelesen (wesentlich schlechtere als dieses) und noch mehr einzelne schlechte Punkte in ansonsten soliden bis guten Büchern, ich hatte jedoch immer den Eindruck, dass die Autoren es einfach nicht besser wissen oder konnten. Ich habe noch nie erlebt, dass eine schriftstellende Person ganz genau weiß das sie gerade etwas schlechtes schreibt (Figuren deren gesamte Charakterisierung aus einem Klischeelexikon entnommen werden könnte sind schlecht) es ihr aber einfach gleichgültig ist oder denkt es wäre auf irgendeine verdrehte Weise doch gut.

Fazit:

„Master Class“ hat genau die Entwicklung die man sich bei einem Buch nicht wünscht. Nach dem annäherungsweise perfekten Start ruinieren eine amateurhafte Ensemblecharaktersisierung, eine misslungene Thrillerhandlung und eine unnötige, invasive und klischeehafte Liebesgeschichte das Buch zum Ende hin immer mehr. Eine solide Hauptfigur und ein annehmbarer Schreibstil retten in Kombination mit den ersten 66 großartigen Seiten, die im Nachhinein wie ein Fremdkörper wirken, das Buch gerade noch so auf eine Sternebewertung von:

3/5