Eine lange Suche

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buecherfan.wit Avatar

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Ein 5jähriger indischer Junge geht am Bahnhof einer indischen Kleinstadt verloren, als sein älterer Bruder ihn für eine Weile allein lässt. Saroo steigt in einen wartenden Zug ein. Als er wieder aufwacht, fährt der Zug durch unbekannte Gegenden. Der Junge ist allein im Waggon und kann auch nicht aussteigen, wenn der Zug auf Bahnhöfen hält. Nach unendlich vielen Stunden landet er in Kalkutta, am anderen Ende des Kontinents. Er überlebt wochenlang auf den Straßen, übersteht mit einem für ein Kind erstaunlichen Überlebensinstinkt äußerst gefährliche Situationen, bis er zunächst in einem staatlichen Heim, später in einer Einrichtung landet, die Adoptionen vermittelt. Da Saroo weder seinen Nachnamen noch seine Heimatstadt kennt, gelingt es den Behörden nicht, seine Familie ausfindig zu machen. Nach kurzer Zeit wird der Junge von dem Ehepaar Brierley aus Hobart, Tasmanien adoptiert und wird zu Saroo Brierley. Er hätte es schlechter treffen können, nicht nur in materieller Hinsicht, denn seine erste Familie war bettelarm. Obwohl seine Mutter auf Baustellen Schwerstarbeit leistete, verdiente sie nicht genug für die fünfköpfige Familie. Die Kinder erbettelten Essensreste in der Nachbarschaft, und der älteste Bruder Guddu nahm schon als 10jäürhiger zum Teil gefährliche Jobs an, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Saroos neue Eltern sind sehr liebevoll und helfen dem Kind, seine zunächst spärlichen Erinnerungen zu bewahren. Saroo wird seine indische Familie nie vergessen. Mit Ende 20 beginnt er eine jahrelange, mühevolle Suche mit Hilfe von Google Earth, um seinen Heimatort und damit seine Angehörigen wiederzufinden. 2011 ist es so weit. Im darauffolgenden Jahr wird er seine Mutter und seine beiden überlebenden Geschwister wiedersehen.

Saroo Brierley hat in seinem autobiografischen Bericht seine bewegende Geschichte aufgeschrieben. Obwohl der Leser von vornherein weiß, dass Saroos Bemühungen von Erfolg gekrönt sind, verfolgt er doch gespannt die einzelnen Etappen seiner Suche und lässt sich von den teilweise schier unglaublichen Zufällen und Fügungen des Schicksals berühren. Sein Bericht ist in Indien und Australien auf besonders großes Medieninteresse gestoßen und bewegt inzwischen Leser in der ganzen Welt. Brierley kann heute die positive Seite seiner traumatischen Erlebnisse sehen. Als gut verdienender Australier ist er in der Lage, seine Mutter zu unterstützen und den Familien seiner Geschwister zu helfen. Er unterstützt sogar die Einrichtung, die ihn damals in seine australische Familie vermittelt hat.

In diesem sehr schönen Buch über Menschlichkeit und familiäre Bindungen, das ich gern gelesen habe, stören allerdings merkwürdige Ungereimtheiten: Zu Beginn sind Guddu und Kallu, die älteren Brüder des Fünfjährigen 14 und 12 Jahre alt ((S. 30), später trifft der 30jährige Saroo auf den 33jährigen Kallu  ( S. 189). Bombay/Mumbai liegt mehrfach an der Ostküste Indiens (S. 221, S. 226). Seltsam, sehr seltsam.