Meister der Wünsche

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ladyviola Avatar

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Zaki Shirazi begibt sich für eine Weile zurück in sein Heimatland Pakistan. Derzeit studiert er eigentlich an einer amerikanischen Universität, doch für die Vermählung seiner geliebten Cousine (Die eigentlich seine Tante ist) reist er gerne zurück nach Hause. Hier, mitten im Hochzeitstrubel erinnert er sich an seine Kindheit und sinnt über die Geschichte seiner Familie nach. Erzählt wird vom Verlust des Vaters, von der gemeinsamen Zeit mit der jetzigen Braut Samar Api, von Zakis Mutter, die sich mit viel Engagement und Mut wagt, sich in ihrer Zeitung kritisch gegenüber dem Regime zu äußern und von den so unterschiedlichen Lebensansichten, welche die einzelnen Familienmitglieder haben.

** ** Die einzelnen Passagen, welche allesamt verschiedene Zeitpunkte beleuchten und jeweils das Schicksal eines anderen Verwandten darstellen, ergeben letztendlich eine zusammenhängende Familiensaga, welche erzählt wird vom \>\>Meister der Wünsche\<\<.

\*\*\* \*\*\* \*\*\* Meine Meinung \*\*\* \*\*\* \*\*\*

Das Schwierigste an diesem Buch war für mich die Erzählweise. Zaki Shirazi dominiert zwar die Geschichte, wird jedoch zeitweise von etlichen anderen Charakteren verdrängt, deren Leben ebenfalls ausführlich geschildert wird. Diese Handlungsstränge verlaufen jedoch nicht linear und so ergibt sich erst am Ende des Buches ein Gesamtes, während zwischenzeitlich immer mal wieder in der Zeit vor und zurück gesprungen wird. So erhält man einen recht guten Einblick in die Welt der jeweiligen Charaktere und versteht die Zusammenhänge allmählich immer besser, wird aber andererseits zu erhöhter Konzentration gezwungen. Erschwerend war für mich die Tatsache, dass in dem Buch wirklich viele Personen vorkommen. Hierzu zählen  17 nahe Verwandte,  4 Charaktere aus der Familie von Zakis Mutter und schließlich 12 Freunde. Dabei den Überblick zu bewahren wurde mir glücklicherweise durch ein Personenregister erleichtert, aber anstrengend war es trotzdem. Hinzu kam die Tatsache, dass sehr viele Begriffe und, was für mich wesentlich schlimmer war, auch ganze Sätze aus dem Urdu oder Hindustani in nicht übersetzter Form zwischen den Zeilen aufzufinden waren. Zwar gab es ein Glossar im Anhang, aber es hat mich zeitweise einfach gestört, ständig einen Ausspruch nachblättern zu müssen. Bei typischen Begriffen, bzw. Eigennamen von Kleidung etc. kann ich diese Vorgehensweise nachvollziehen (Bei japanischen Büchern kann ich gar nicht genug davon kriegen), aber bei den Sätzen habe ich einfach keinen Sinn gesehen. Somit habe ich auch ein wenig länger benötigt, um mich durch den knapp 500 Seiten starken Wälzer zu lesen, doch  gelohnt hat sich das Buch trotzdem.

Im Vordergrund stehen die Beziehungen der Personen untereinander. Der Anker in Zakis Leben ist Samar Api, welche eigentlich seine Tante ist, aufgrund des knappen Altersunterschiedes jedoch von ihm wie eine Cousine behandelt wird. Die gemeinsame Kindheit schweißt diese beiden Charaktere sehr stark zusammen, was zu einer lebenslangen Freundschaft führt. Besonders Samar Api spiegelt sehr gut die sozialen Umstände der Familie wieder. Während sie ursprünglich in einem modernen, lockeren Umfeld lebt, entwickelt sie sich zu einem neugierigen, sehr freien Mädchen. Später jedoch sorgen andere Einflüsse dafür, dass sie sich stark unterordnet und eine große Wandlung vollzieht. Zakis Familie gehört zu den wohlhabenden Einwohnern Pakistans. Seine Großmutter Daadi kann sogar einen eigenen Fahrer und eine Haushälterin beschäftigen. Die Familie verfügt über einen Computer, Zaki erhält später trotz seiner leicht aufsässigen Art eine hervorragende Schulbildung und im Allgemeinen kann man nicht davon sprechen, dass die Familie Shirazi mittellos oder arm dran ist.

Dennoch gibt es tragische Entwicklungen im Leben der einzelnen Bewohner und im Laufe der Geschichte erfährt man, dass es der Familie nicht immer so gut ging wie es nun der Fall ist. Während Zaki vordergründig die einzelnen Schicksale der Verwandten erzählt, erfährt der Leser gleichzeitig einiges über die politische und soziale Lage der Menschen innerhalb der verschiedenen Zeitepochen. Zaki schnappt die Predigten eines Geistlichen auf, schildert, wie sein Lehrer sich für die Sittsamkeit einsetzt und erzählt von den Kämpfen seiner Mutter, die sich gegen die Unterdrückung der Frauen einsetzt. Gleichzeitig streut Ali Sethi einige Äußerungen seiner Charaktere ein, welche sich auf die kommenden und gehenden Regierungen beziehen. Diese Meinungen sind allesamt sehr unterschiedlich, da schließlich ganz verschiedene Menschen porträtiert werden. Durch Zakis beinahe beiläufige Erwähnung werden diese Themen nicht dramatisiert, sondern beinahe schon sachlich geschildert.

Der Erzählstil hat mir sehr gefallen. Durch malerische Beschreibungen und ausführliche Schilderungen der jeweiligen Situation erhielt man tiefe Einblicke in das Leben der verschiedenen Charaktere. Sehr deutlich gezeichnet waren auch die einzelnen Figuren selbst. Natürlich wurden nicht alle Personen ähnlich intensiv dargestellt, doch ihre jeweilige Art und die Gründe, die zu ihren Verhaltensweisen geführt haben ließen sich gut nachvollziehen. Sympathien habe ich nicht für alle der vorgestellten Menschen entwickelt, doch Zakis jeweiliges Verhältnis zu den einzelnen Menschen war sehr schlüssig. Besonderen Eindruck hat die liebevolle Beziehung von Zaki und Samar Api auf mich gemacht, aber auch Zakis barsche Großmutter ist ein sehr einprägsamer Charakter.

Wenn man sich auf die vielen Handlungsstränge und die damit einhergehenden Einzelschicksale einlässt und sich mit dem Erzählstil eines jungen Ich-Erzählers anfreunden kann, dann lässt sich sehr viel in dieser Geschichte entdecken, wenn man denn gewillt ist, auch zwischen den Zeilen zu lesen. Einen großen Showdown darf man nicht erwarten, dafür aber einen geschlossenen Kreislauf.