Oh Wunder!

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wortknaeuel Avatar

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Das Buch beginnt mit dem Auftauchen des Messias sehr spannend. Willig gab ich mich dem Mystery-Feeling um den wieder auferstandenen und in unsere moderne Welt geworfenen Jeschua hin, auch wenn mein lesegeübtes Auge über so manches irische und italienische Wort stolperte (die Anleitung zur richtigen Aussprache des Ortsnamen Graiguenamanagh irgendwo am Anfang des Buches ist nett gemeint aber ändert nicht viel daran) und so manch trockenen Dialog zwischen langweiligen Charakteren überwinden musste. Doch leider wird der Spannung schon nach ca. einem Viertel des Buches der Wind aus den Segeln genommen. Der mysteriöse Jeschua taucht kaum noch auf, ist nur noch ein Statist im Krankenhausbett, ebenso einige andere Charaktere, von denen ich mir mehr versprochen hatte. Die Tochter des Helden beispielsweise, Anny: entgegen ihres Berufes als Journalistin entschließt sie sich, die meiste Zeit der Handlung über an Jeschuas Seite zu sitzen und sein Händchen zu halten, was unerklärterweise wohl tief romantische Gefühle in ihr auslöst (wohlgemerkt sprechen sie nicht mal die selbe Sprache) ... Auch die Hauptfigur Hester bleibt relativ blass und oberflächlich. Für einen kirchlichen Würdenträger verhält er sich auch ziemlich untypisch weltlich (zumal gerade Ostern ist).

 

Sehr an den Haaren herbei gezogen werden die Erklärungen für die Wunder, die in ganz großem Stil mit viel Aufwand betrieben werden und sehr unrealistisch wirken, einige  Fragen bleiben leider auch offen. Wirklich haarsträubend fand ich den seltsamen Einschub mit der Pianistin, einer Nachfahrin von Liszt, die es allein mit ihrem Klavierspiel vermag ... (ich will nicht zuviel verraten). Wie ich im Nachhinein erfahren habe, ist sie die Hauptfigur aus Isaus Roman „Die Dunklen“. Ob er sich mit diesem Cameo-Auftritt eine Werbewirkung für seine anderen Bücher erhofft hat? Jedenfalls fand ich diese Szene ohne dieses Wissen sehr befremdlich. Spätestens hier sank meine Meinung von dem Buch „Messias“ rapide ab.

 

Der einzige Lichtblick sind die wenigen skurrilen Figuren wie die sauertöpfische Witwe, die sich jeden Tag auf dem Friedhof am Grab ihres verstorbenen Mannes ausjammert bevor sie dann im nächsten Pub ihren Schlummertrunk zu sich nimmt, oder der pflichtbewusste Nachbar, der seit dem Tod seines Hahns dessen allmorgendliche Aufgabe des Weckrufs übernommen hat. Sympathisch war mir auch die Figur des 103-jährigen Seamus, dem schnoddrigen Wundertäter, der als Hesters Vater zum Glück eine größere Rolle in der Handlung einnimmt, sonst hätte ich  die Lektüre womöglich nicht durchgehalten.

 

Ralf Isau hat es mit den Wunder für meinen Geschmack viel zu sehr übertrieben. Dazu kommen langweilige Dialoge, zu wenig Spannung, blasse Charaktere und eindeutige, sehr platte Kritik an der katholischen Kirche. Wer aufgrund der Inhaltsangabe und der blutigen Covergestaltung einen spannenden, unterhaltsamen Thriller erwartet, dürfte enttäuscht werden.

Das war mein erstes und bleibt mein letztes Buch von Ralf Isau.