Der Löwentote

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Gustav Wolter ahnt schon beim Betreten der Käfige, dass etwas nicht stimmt. Seine Raubkatzen sind ungewöhnlich unruhig. Es liegen nämlich die Überreste eines Menschen im Löwenkäfig. Kriminalkommissar Martin Forster hat nun den Auftrag, dieses Verbrechen aufzuklären. Es ist eines der aufsehenerregendsten Fälle der Zeit, den den jungen Kommissar in die dunkelsten Ecken der Hauptstadt führt.

Oliver Schütte führt seine Leser langsam in die historische Kulisse der Stadt Berlin ein. Acht Jahre nach Kriegsende und Rücktritt des letzten Deutschen Kaisers ist die Stadt noch gebeutelt. Die Weimarer Republik hat ebenfalls keine Ruhe bringen können. Die Zwanziger Jahre hatten ihr eigenes Flair, das immer wieder bildhaft beschrieben wird. Man sieht die Figuren in ihren Stresemann-Anzügen und enggeschittenen Kleidern vor sich, während sie sich im Varieté oder im Lichtspielhaus vergnügen. Ebenso lässt der verwendete Dialekt keinen Zweifel zu, dass man sich literarisch zwischen Moabit und Wedding bewegt. Die Protagonisten wechseln zwischen Preußischem Ehrgefühl im Polizeipräsidium und dem Proletariat in einer Spelunke.

Fast ein wenig zu gemächlich scheint das Tempo bei derartig schockierenden Vorfällen voran zu gehen. Man muss sich wirklich ins Gedächtnis rufen, dass es sich 1926 um die Anfänge in der Spurensicherung handelt. Kaum 20 Jahre ist es her, dass Fingerabdrücke genommen werden können. Die seinerzeit übliche Vorgehensweise für Verhöre erforderte deutlich mehr Zeit als heutzutage. In diesem Roman liegen von der Entdeckung der Tat bis zur Ermittlung des Namens zehn Tage. Dennoch baut sich die Spannung relativ schnell auf. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Der Kommissar ist sympathisch und man gönnt ihm den Erfolg, sofern er sich denn einstellt. Der Fall hat immer wieder Wendungen, sodass der Leser mehreren falschen Fährten folgt, bevor man den Verdächtigen überführen kann.

„Die rote Burg“ ist Teil einer Trilogie um das goldene Zeitalter in Berlin. Der für sich abgeschlossene Krimi, der mit „Champagner, Charleston und Chiffon“ und „Das Palais Reichenbach“ ergänzt wird, ist Teil der Romanwelt Metropolis Berlin. Das eBook bietet an einzelnen Stellen an, dass man zu Szenen der anderen Krimis springt. Hier begegnen sich die Figuren und man kann eine weitere Perspektive erkunden. Eine Chronologie muss beim Lesen nicht eingehalten werden. Die verwendete Schriftart bei den Kapitelüberschriften erinnert an eine altmodische Schreibmaschine, wie sie Forster sicher benutzt hat. Auch anderweitig fließen immer wieder Erklärungen ein, die den Leser in die alte Zeit eintauchen lassen, als die Polizei gerade dein Freund und Helfer wurde. Alles zusammen weckt das die Neugier auf Kriminalfälle in der damaligen wie heutigen Hauptstadt.