Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung

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lunamonique Avatar

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Wie alle anderen in La Fortezza hat auch die Familie von Beatrice ihre Wohnung besetzt. Es muss immer einer Zuhause bleiben, damit sie ihre Unterkunft nicht wieder verlieren. Mit 8 Jahren lernt Beatrice Alfredo kennen. Er ist der Mittlere von drei Söhnen. Die Mutter starb bei der Geburt des Jüngsten. Der betrunkene Vater schlägt seine Kinder regelmäßig fast tot. In dieser Nacht sind die Schreie im Haus besonders schlimm. Beatrice findet den blutüberströmten Alfredo. Von da an ist Beatrice’ Familie ein Zufluchtsort für den Jungen. Obwohl sie um die Umstände weiß, ist Beatrice eifersüchtig auf Alfredo und hat Angst, dass er ihren Platz in der Familie einnimmt. Von Armut und Hoffnungslosigkeit geprägt nimmt die Hass-Liebe zwischen den Beiden ungeahnte Ausmaße an.

„Mit Zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung“ ist eine dramatische Liebesgeschichte, die sich immer weiter zuspitzt. In La Fortezza leben die Außenseiter, in den Augen der Anderen der Abschaum. Gewalt, Alkohol und Drogen sind an der Tagesordnung. Es ist eine Gemeinschaft, die nach außen hin zusammenhält, sich aber auch gegenseitig bekriegt. Eine starke Persönlichkeit ist gefragt, um hier leben zu können. Beatrice ist als Kind egoistisch und herrisch. Sie sehnt sich nach Zärtlichkeit, verteilt aber nur Schläge, ist grob im Verhalten und in der Sprache. Eigentlich alles nur Fassade, aber sie kann nicht anders. Sie ist eine Meisterin im Manipulieren, hat Alfredo lange Zeit unter Kontrolle. Ihre innige Liebe zu ihm, kann sie nicht ausdrücken. Anfangs weiß sie selbst nichts davon. Als sie sich ihrer Gefühle bewusst ist, schafft sie es nicht, den Hebel in die andere Richtung zu bewegen. Die Charaktere Beatrice und Alfredo sind extrem und gehen zu Herzen. Auch das Schicksal von Alfredos Brüdern Massimiliano und Andrea berührt. Es entsteht die Hoffnung, dass alles ein gutes Ende nimmt, aber die Abwärtsspirale nimmt zu. Die Katastrophe ist vorprogrammiert. In La Fortezza sterben die Menschen jung. Es gibt keinen Ausweg oder doch? Autorin Valentina D’Urbano erzählt die Geschichte mit einer ungewöhnlichen Intensität in einer ganz eigenen Sprache. Die Dialoge zwischen Beatrice und Alfredo sind wie kleine Kriegsschauplätze. Alfredo ist der Sensiblere von beiden. Er steckt schlimme Ereignisse nicht so leicht weg. Beatrice’ Verhalten lässt ihn Verzweifeln. In jedem Schubs, Biss und Schlag steckt eigentlich Liebe. Selbst für ihn schwer zu erkennen. Sie reden die ganze Zeit aneinander vorbei. Halt findet Beatrice bei ihrer Freundin Arianna. Alfredos einziger Halt ist Beatrice und ihre Familie. Wenn sein zweites Zuhause weg bricht, hat er nichts. Die Geschichte rührt zu Tränen. Alfredos ständige Flucht vor seinem brutalen Vater. Er liebt ihn trotz allem und wehrt sich nicht gegen die Schläge und Messerattacken. Für Beatrice nicht nachvollziehbar. Sie hasst den Alten, der schuld am Chaos ist. Nicht nur die Geschichte, auch der Handlungsort verströmt Hoffungslosigkeit. Die Chancen La Fortezza zu verlassen, sind gering. Wer stellt schon jemanden ein, der hier wohnt. „Mit Zwanzig hat man kein Kleid für ein Beerdigung“ lässt sich auf andere Länder, Ghettos und Armutsviertel eins zu eins ummünzen. Das Buch bildet die tragische Realität ab.

Das Cover geht zu wenig auf das abgerissene Viertel, das Heruntergekommene, die Armut ein. Titel und Cover lassen nicht erahnen, was für eine aufrüttelnde Geschichte sich dahinter verbirgt. Zu harmlos, zu schick, zu viel Romantik. Jeder, der zu diesem Buch greift wird überrascht sein. Es hätte wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient. Die kurzen Kapitel ermöglichen einen sehr guten Lesefluss. Es fällt nicht schwer, dieses Buch in einem Rutsch durchzulesen. Vergessen wird man dieses Buch nicht. Emotionsgeladener geht es nicht mehr. Sehr empfehlenswert für alle, die schicksalhafte Romane und Liebesgeschichten lieben.