Bedrückend und spannend zugleich

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
lesendundspielenddurchsleben Avatar

Von

Ich hab das Buch ziemlich am Stück gelesen. Ich muss sagen, es hat mich schon hart erwischt. Ich hab bei diesem Buch eher damit gerechnet, dass es mehr um die Schwangerschaft geht, um den Umgang mit der Diagnose angesichts familiärer Vorbelastung, und vor allem um die Gegenwart. Dabei lebt das Buch hauptsächlich von den Rückblenden. Diese führen in die gefühlte Hinterwelt Österreichs der 70er mit all ihren Vorurteilen. Ich bin selbst Österreicherin, weshalb ich mir sprachlich nicht schwer getan habe. Ich fand es richtig gut, was mit Österreich -Background zu lesen. Hartheim ist im angrenzenden Bezirk und liegt an einer der Loeblings-Radrouten, ich hab es auch selbst mit der Schule und privat besucht. Wien ist die Stadt meines Studiums, die Orte sind mir vertraut. Das mag ich grundsätzlich an Romanen sehr. Dennoch tat ich mir hier teils schwer, mit Österreich konfrontiert zu werden, einem Teil der österreichischen Gesellschaftsgeschichte, die man gern verdrängen würde. Wo es Sonderschulen gibt und nur solche für Kinder mit Förderbedarf. Wo Kinder abgestempelt werden, wo sie gehänselt und gemobbt werden, tagein tagaus....wo die ganze Familie darunter leidet, wo das Dorfleben einen erdrücken mag ...

Der Roman ist wirklich schonungslos. Manchmal musste ich etwas mit dem Schreibstil kämpfen, ich tat mir wirklich orthographisch schwer ohne die "". Zeitweise war es mir etwas langatmig. Und zeitweise hab ich mich ziemlich geärgert über die Schwiegermutter. Und überhaupt darüber, wie wenig auf ein Kind mit Down-Syndrom eingefangen werden kann. Der Schluss war deshalb heilsam für mich.

Fazit: es ist definitiv kein Wohlfühlroman. Der Roman rüttelt auf, verlangt Konzentration und Aufmerksamkeit. Und vor allem Offenheit. Vieles regte mich zum Nachdenken an. Wer aus seiner Komfortzone sich herausgegeben will, der wird diesen Roman sehr mögen. Für mich war es ein Stück weit diese Komfortzone und Blase verlassen - die Blase eines Menschen in einem Sozialberuf, der selbst im urbanen Raum großgeworden ist, in einem fortschrifttlicheren Umfeld mit positiverer Einstellung zu Vielfalt und Diversität... Für mich war das trotzdem wichtig. Diese Erfahrungen müssen geteilt werden - denn nur dann versteht man auch und kann ein Stück weit nachvollziehen, wie schwer es gewesen sein muss...