Welt-Downsysndrom-Tag

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Im Roman „Mongo“ von Harald Darer geht es um eine junge Familie, die sich mit der Angst auseinandersetzen muss, dass ihr Kind mit dem Downsyndrom zur Welt kommen könnte, ähnlich wie der Bruder der schwangeren Frau. Es behandelt die Gedanken und Ängste, die sich in dieser ungewöhnlichen Situation entwickeln und findet Antworten auf zahlreiche Fragen.
Der Picus Verlag aus Wien ist super und hat mich schon mit einigen literarischen Überraschungen versorgt. Das Zitat in Anlehnung an Watzlawick fand ich etwas drüber, aber das ist selbstredend Geschmackssache und auf jeden Fall kreativ.
Meine Erwartung an das Buch war ein besserer Zugang zum Thema und „Insiderwissen“, da ich bis dato keinerlei Berührungspunkte zu Menschen mit Trisomie 21 hatte. Allerdings wurde mir direkt zu Beginn bewusst, wie häufig ich das Wort „Mongo“ bereits als Schimpfwort bzw. Beleidigung benutzt hatte, ohne einen Gedanken darüber zu verschwenden. Die zwei Blickwinkel und Erzählweisen führen bereits am Anfang dazu, dass man sehr schnell ins Buch findet und sich direkt eigene Fragen zum Thema stellt. Dadurch wird eine hohe Identifikation mit dem Thema geschaffen.
Katja erlebt in ihrer und in Markus Kindheit alle Emotionen, die man sich nur vorstellen kann. Angst, Verzweiflung, Wut und das schlechte Gewissen ihren behinderten Bruder nicht immer verteidigt zu haben sind die Gefährten ihres Alltags. Diese Situationen sind eindringlich beschrieben, ohne zu aufgesetzt und übertrieben zu wirken. Dennoch prägt es ihr gesamtes Leben, bis hin zu ihrer eigenen Schwangerschaft und den damit verbundenen Ängsten.
Es werden schonungslos alle Varianten beschrieben: Mobbing, Mitleid, Ignorieren, das behinderte Kind vor der Öffentlichkeit verstecken. Die Beschreibung des Umgangs mit einem behinderten Menschen sind äußerst treffend, präzise und vielschichtig beschrieben und häufig findet man sich in der ein oder anderen Situation auch persönlich wieder oder verbindet sie mit eigenen gemachten Erfahrungen. Besonders spricht mich die reflektierte Sicht der Kindheitserinnerungen als Erwachsener an.
Ich mag Bücher, die einen schon nach kurzer Zeit selbst zum Grübeln bringen und feststellen lassen, dass die eigene Sicht doch sehr einseitig und vorurteilsbehaftet ist. Das Buch zeigt, dass man immer voneinander lernen kann. Mit Sätzen wie „wer kann schon genau drei Dinge nennen, die einen glücklich machen und die ausreichend sind (Katzen, Essen, Tageszeitung)“ zeigen dem Leser die positiven Aspekte auf. Von Menschen, die Schicksale ertragen müssen oder mit Einschränkungen leben müssen können wir weit mehr über das Leben und das Glücklichsein lernen.
Gerade die Erzählungen von Markus Mutter, die Feststellungen bei den ersten Arztbesuchen etc. haben mich fasziniert und wirklich berührt, denn immer schwebt im Hintergrund die Frage nach einer Abtreibung.
Stilistisch ist die Abhebung Markus Gedanken in Großbuchstaben gut gelungen. Dieses Buch beschreibt mit klaren, eindrucksvollen Worten wie das Leben mit Trisomie 21 wirklich ist und es sollte von jedem gelesen werden, egal ob man betroffen ist oder nicht. Es geht ums Verliebtsein, es geht ums Leben, um Sex, um einfach alles, dass das Leben ausmacht.
Dieses Buch ist ein Appell daran andere Menschen weder zu ignorieren, noch zu verurteilen, weil sie anders sind. Denn wer von uns ist schon normal?