Eine vielschichtige Geschichte mit einigen Längen

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emma217 Avatar

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In "Morgen, morgen und wieder morgen" erzählt Gabrielle Zevin von der besonderen Freundschaft zwischen Sadie Green und Sam Masur, die sich als Kinder im Krankenhaus kennenlernen, eine Weile aus den Augen verlieren, um schließlich gemeinsam als Spiele-Entwickler Karriere zu machen.

Den Beginn des Romans mochte ich sehr. Den Anfang dieser besonderen Freundschaft erzählt Gabrielle Zevin sehr gefühlvoll und empathisch und erschafft mit Sadie und Sam zwei vielschichtige Charaktere. Die ersten zweihundert Seiten lasen sich dadurch wie im Flug. Doch ab einem gewissen Zeitpunkt war für mich der Wurm drin. Zum einen hatte ich das Gefühl, dass sich die Geschichte etwas im Kreis dreht. Die Konflikte schwelten vor sich hin, Sadie und Sam schwiegen sich an anstatt sich auszusprechen, so dass die Geschichte mir zusehends entglitt. Erschwerend kam hinzu, dass mir Sam mit fortschreitender Handlung immer unsympathischer wurde. Charaktere mit Ecken und Kanten sind ja prinzipiell etwas tolles. Gut geschriebene unsympathische Charaktere machen eine gute Geschichte ja sogar aus. Aber hier sollen wir ja eigentlich mit Sadie und Sam mitfühlen, hoffen, dass sie trotz aller Missverständnisse und Hindernisse, die das Schicksal für sie bereithält, am Ende wieder zueinander finden. Aber ich wünschte mir stattdessen das Gegenteil. Sadie macht im Laufe des Romans natürlich auch einige Fehler. Und der größte ist vermutlich, dass die zwei über weite Strecken einfach nicht miteinander reden. Dies in Kombination damit, dass die Handlung abgesehen von ein paar Ausnahmen weite Strecken nur vor sich hin plätscherte, führte schließlich dazu, dass ich das Buch immer öfter beiseite legte.

Zudem werden meines Erachtens leider nicht alle der vielfältigen Themen, die in "Morgen, morgen und wieder morgen" ausreichend behandelt und zu einem runden Ende gebracht. So wird zum Beispiel die toxische Beziehung, in der sich Sadie zu Beginn des Romans befindet, nie richtig aufgearbeitet. Einiges wird zwar angedeutet, ihre Freunde bleiben trotz der deutlichen Zeichen jedoch seltsam passiv und zurückhaltend. Auch den Schluss fand ich in dieser Hinsicht enttäuschend. Ohne zu Spoilern kann ich darauf jedoch leider nicht näher eingehen.

Prinzipiell ist "Morgen, morgen und wieder morgen" somit eine vielschichtige Geschichte mit einigen schönen popkulturellen Referenzen, die gerade mein Gamerinnen-Herz höher schlagen ließen. Doch die nicht zu übersehenden Längen und mein Hadern mit den Hauptfiguren haben mir ab dem Mittelteil leider einiges an Lesefreude genommen. Dass ich mit dem Ende nicht einverstanden bin, hat natürlich keinen Einfluss auf meine Bewertung, konnte jedoch auch keineswegs dazu beitragen, mich mit dem Roman zu versöhnen. Schade. Dabei hat alles so schön begonnen.

Positiv hervorheben möchte ich jedoch noch den wunderschönen Schreibstil der Autorin, die besondere Stimmung, die sie erzeugt und die dank der Übersetzung von Sonia Bonné auch in der deutschen Ausgabe erhalten bleibt. Und die Enthüllung der tatsächlichen Bedeutung des Titels hat mich dann doch sehr gerührt. 3,5/5