Von Freundschaft und Videospielen

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2022 war Morgen, morgen und wieder morgen von Gabrielle Zevin eines DER Hype-Bücher im englischsprachigen Raum, dessen buntes Cover mit dem Ausschnitt aus Hokusais Die große Welle vor Kanagawa immer wieder begeistert in Beiträgen gezeigt wurde. Worum es im Buch dabei tatsächlich neben einer Freundschaft und Videospielen geht, wusste ich trotz Hype nicht wirklich… aber die Kombination klang schon interessant genug, dass ich auf jeden Fall zumindest reinlesen wollte!

Ironischerweise sind ‚Freundschaft‘ und ‚Videospiele‘ tatsächlich die Schlagwörter, die Morgen, morgen und wieder morgen gut auf den Punkt bringen: Sadie und Sam lernen sich als Kinder durch Zufall über die Liebe zu Videospielen kennen, und diese Freundschaft überdauert die folgenden Jahrzehnte mal besser, mal schlechter. Zevin wechselt zwischendurch immer mal wieder die Perspektive zwischen den beiden Freunden und schiebt Rück- oder Vorausblicke ein, sodass der Leser beide Seiten gut verstehen kann. Das ist auch nötig, denn sowohl Sadie als auch Sam sind weder besonders sympathische, noch kommunikative Charaktere. Die Sprache bleibt dabei durchgehend recht simpel, trotzdem fand ich es recht schwerfällig zu lesen – das ganze Buch ist durchtränkt von einer unterschwelligen Melancholie, und gerade Trauer ist ein großes Thema.

Als Studenten entwickeln die Beiden mit Ichigo ihr erstes gemeinsames Videospiel, worauf noch einige weitere Titel folgen, und alle diese Spiele klingen einfach nur super interessant und cool?! Am liebsten hätte ich schon beim Lesen das Buch teilweise zur Seite gepackt und lieber eine Runde gespielt, was natürlich bei fiktiven Spielen eher schwierig ist… Ich fand es toll mitzuerleben, wie Sadie und Sam ihre Inspirationen finden, welche Schwierigkeiten bzw. Fragen im Entwicklungsprozess aufkommen und wie mit Erfolg oder Misserfolg umgegangen wird.

Durch die gemeinsame Arbeit nimmt ihre Freundschaft logischerweise noch eine andere Facette an, aber was ich mich tatsächlich immer wieder beim Lesen gefragt habe: Warum sind Sadie und Sam eigentlich befreundet? So gut Zevin alles um die Videospiele herum auch beschreibt, die große Freundschaft der Protagonisten wirkt auf mich eher wie ein Mittel zum Zweck oder Nostalgie, welche stellenweise beiden nicht gut tut. Gerade, wenn Marx mit ihnen interagiert, kommt das besonders deutlich raus, da er als Charakter alles gute in sich vereint, was Sadie als auch Sam fehlt. Statt einander in den vielen kleinen und großen Katastrophen zu unterstützen, die über die Jahre und vielen Buchseiten auf sie einprasseln, halten sie sich eher Dinge vor oder vergällen einander – und an einer Stelle wirkte es auf mich fast so, als würden sie nur noch Freunde sein, da sie das einfach schon seit Jahrzehnten sind und man sowas halt nicht wegschmeißt.

Neben der für mich eher fraglichen Freundschaft gibt es zudem ein Kapitel, welches eine Entscheidung trifft und klar Emotionen beim Leser auslösen soll… nur hat das bei mir überhaupt nicht gezündet, sondern mir eher die Freude am Weiterlesen genommen. Ich verstehe, warum Zevin dieses Kapitel so geschrieben hat für den weiteren Kurs der Geschichte -und an sich ist das Kapitel auch schön geschrieben, für das, was in ihm passiert- aber ich fand, dass ihr hier die simple Sprache ein Bein stellt. Man merkt, dass man Emotionen fühlen soll und das hat mich bockig gemacht, auch, da ich den Ausgang des Kapitels nicht mochte.

Ist der Hype um Morgen, morgen und wieder morgen nun gerechtfertigt? Wenn man sich für Videospiele interessiert, wird der Roman einen auf jeden Fall abholen, und es ist definitiv spannend eine Freundschaft über so viele Jahre zu begleiten… aber ich hätte gut und gerne auf einige der Katastrophen und die Melancholie verzichten können. Das Buch endet quasi wieder dort, wo es anfängt, und man wünscht Sadie und Sam, dass die nächste Spielrunde positiver verläuft.