Das Geheimnis eines Verschwindens - leider nicht überzeugend

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nathi_taiwan Avatar

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In "Mrs Agatha Christie" erzählt die für ihre fiktiven Romanbiographien bekannte Autorin Marie Benedict aus dem Leben von - wie nicht anders zu erwarten - der weltberühmten Agatha Christie. Das besondere ist, dass sich Benedict dabei auf einen ganz bestimmten Lebensabschnitt konzentriert: das bis heute unaufgeklärte, elftägige Verschwinden der Kriminalautorin. Was geschah an diesen kalten Wintertagen im Dezember 1926? Benedict will hierfür der Leser*innenschaft eine plausible Lösung anbieten - und scheitert damit leider in meinen Augen!

Erzählperspektivisch gesehen hat mir der Aufbau des Romans hingegen sehr gut gefallen: So verbindet die Autorin geschickt zwei zeitlich weit auseinanderliegende Handlungsstränge, die abwechselnd erzählt werden und bei dem sich der in der Vergangenheit liegende Handlungsstrang dem in der Gegenwart immer weiter annähert. Man liest daher kapitelweise im Wechsel zum einen von der Spurensuche im Dezember 1926 aus der Perspektive von Agathas damaligen Ehemann Colonel Christie, zum anderen aus Agathas Perspektive, die die Jahre 1912 - das Jahr des Kennenlernens des künftigen Ehepaares - bis hin zu ihrem Verschwinden im Jahr 1926 umfasst. Man lernt dabei, dass die zunächst glückliche Ehe der Christies immer weiter zerfiel, während Agathas beruflicher Erfolg stetig zunahm. Der gewählte Aufbau ermöglichte dabei eine dynamische Entwicklung der Handlung und führte so zu wiederholten Cliffhangern zum Kapitelende.

Benedict ist meiner Meinung nach jedoch aus zweierlei Gründen gescheitert. Zum einen ist da für mich die Frage nach der Greifbarkeit der Figuren, da sie nicht wie Figuren ihrer Zeit wirken. Mehrfach erklärt Agatha der Leser*innenschaft, warum sie so und nicht anders handelte. Benedict möchte offensichtlich die Umstände der Zeit dem modernen Publikum erläutern, was jedoch oft unnötig ist (da selbsterklärend) und leider viel von der Glaubwürdigkeit der Personen und ihren Handlungen nimmt.

Zum anderen störte mich, dass, obwohl Christies Beruf als Autorin häufig Erwähnung fand, es dennoch nie ein spürbarer und zentraler Teil ihrer Geschichte war. Alles drehte sich um ihre Beziehung zu ihrem Ehemann; der Grund für ihr Verschwinden wird allein über diese begründet. Für mich war diese Erklärung leider zu schwach, was auch damit zusammenhing, dass sowohl Agatha als auch Colonel Christie bis zum Ende oberflächliche Figuren in ihrem eigenen Roman blieben. Agathas in ihren Romanen immer wieder zur Schau gestellte Genialität blieb dabei leider auf der Strecke - dabei sollte doch ihr größter Kriminalfall ihr eigener sein.

Zum Abschluss möchte ich jedoch noch positiv vermerken, dass die erste Amtshandlung nach Beenden dieses Romans war, nach einem Krimi von der großartigen Agatha Christie zu greifen!