Das Verschwinden der Agatha Christie

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naraya Avatar

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Im Dezember 1926 verschwindet Agatha Christie für elf Tage in ihrem Leben spurlos. Eine beispiellose Suchaktion beginnt, an der sich sogar Größen wie Dorothy Sayers und Sir Arthur Conan Doyle beteiligten und in deren Verlauf ihr Ehemann Archie immer mehr ins Kreuzfeuer der Ermittlungen geriet. Der Ausgang ist bekannt: Agatha taucht in einem Hotel in Harrogate wieder auf und gibt vor, sich an nichts erinnern zu können. Sie und Archie lassen sich scheiden und fortan wird sie nicht nur wieder heiraten, sondern vor allem eine Vielzahl großartiger Kriminalromane schaffen.

In „Mrs Agatha Christie“ erzählt Marie Benedict nun ihrerseits, was damals in diesen elf Tagen geschehen sein könnte. Dabei schildert sie das Geschehen aus zwei verschiedenen Perspektiven: In der Vergangenheit ist Agatha die Protagonistin und die Autorin verwendet die Ich-Form, um eine gewisse Verbundenheit herzustellen. Erzählt wird ausgehend von dem Moment im Oktober 1912, als Agatha und Archie sich kennenlernen. In der Gegenwart, am Tag nach dem Verschwinden seiner Frau, steht dieser im Fokus. Sein Handlungsteil ist jedoch in der Er-Form geschrieben – die Loyalitäten der Leser*innen sind sofort klar.

Gut recherchiert ist Benedicts Roman allemal, Namen, Orte, Daten, ja sogar Agathas Kleidung an ihrem Hochzeitstag werden genauestens dargestellt. Auch ihre Theorie über das Verschwinden der beliebten Autorin erscheint plausibel. Es ist allgemein bekannt, dass Archie eine Affäre hatte und diese heiraten wollte – Agathas Plan, ihm dafür gewaltig die Suppe zu versalzen, passt zu allem, was wir über ihren Charakter wissen und ist zudem mehr als nur einen Schmunzler wert.

„Mrs Agatha Christie“ ist in weiten Teilen – und damit war natürlich zu rechnen – eine Liebesgeschichte oder vielleicht eher eine Geschichte über das Scheitern einer Ehe und darüber, wie Frauen stets den Spagat zwischen Beruf und Familie, zwischen Ehemann und Kind schaffen müssen. Persönlich hätte ich mir einen größeren Fokus auf Agathas Schreiben und ihre Perspektive nach dem Verschwinden gewünscht. Dieses Risiko wollte die Autorin offensichtlich aber nicht eingehen, schade!