Geschichte und Historie rund um eine Legende

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justm. Avatar

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Vorweg: Ich gebe zu KEINE Freundin historischer Romane zu sein.
Warum ich dennoch dieses Buch gelesen habe?
Vielleicht einfach nur, weil es um die Grande Dame des Krimis schlechthin, Agatha Christie, ging? Möglich.
Wie dem auch sei, ich habe dieses Buch gelesen und es tatsächlich im Nachhinein nicht bereut (wie ich es sonst fast immer tue, wenn es um historische Romane geht - warum ich sie sonst auch meide).

Denn Autorin Marie Benedict ist es gelungen ein Kapitel aus dem Leben Christies zu beleuchten, um das sich schon beinahe Legenden ranken, denn Christie selbst hat sich nie dazu geäußert: ihrem eigenen Verschwinden.

Benedict erschuf in diesem Buch ihre eigene Legende, die letzten Endes, so kreativ, wie durchaus plausibel scheint.

Aber von vorn:
"Mrs Agatha Christie" wird abwechselnd aus zwei unterschiedlichen Erzählperspektiven und in zwei Zeitsträngen erzählt, die sich im Laufe des Buches immer weiter einander annähern und einholen.

Während auf der einen Zeitebene aus dem Kennenlernen zwischen der jungen Agatha Miller und dem schneidigen Archibald Christie eine Ehe mit Kind wird, ist Agatha auf der anderen Zeitebene verschwunden und die Suche nach ihr nimmt Fahrt auf.

In beiden Erzählsträngen spielt das damalige Rollenbild eine übergeordnete Rolle. Eines, das der modernen Frau von heute, einen Schauer über den Rücken jagt.

Die Tatsache, daß Agatha sich dessen selbst irgendwann auch bewußt wird, wird hier in ihr geheimnisvolles Verschwinden eingebaut und macht aus der anfänglich lebenslustigen jungen Frau, die sich in dem Versuch die perfekte Ehefrau zu geben, in eine Hülle ihrer selbst verwandelt, letztlich eine Frau, die weiß, was sie will und vor allem, was sie nicht will.
Vor allem aber macht sie sie zu der Autorin, die sie letzten Endes wurde und deren Legende bis heute weiterlebt.

Marie Benedict hat es mit ihrem Versuch der (Er-)Klärung tatsächlich geschafft mich von einem historischen Roman, wenn auch nicht direkt zu begeistern, aber dennoch zu überzeugen.

Wer Freude an Anja Jonuleits "Das letzte Bild", Interesse an historischen Figuren hat und sich vom fürchterlichen deutschen Cover nicht abschrecken läßt, der wird sich von den 320 Seiten sicherlich bestens unterhalten fühlen.

Von mir 3,5 Sterne!