Leider nicht sehr gut umgesetzt und zu wenig Spannung

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sleepwalker1303 Avatar

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Elf Tage war Agatha Christie im Dezember 1926 verschwunden, das Geheimnis ihres Verschwindens nimmt sie mit ins Grab, sie klärt zu Lebzeiten nie auf, wieso sie sich zu diesem Schritt entschlossen hat. Marie Benedict liefert mit „Mrs. Agatha Christie“ eine fiktionale Erklärung, die mich zwiegespalten zurücklässt. Der dritte Teil ihrer Reihe „Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte“ liefert einerseits eine stimmige Erklärung und es könnte damals tatsächlich so abgelaufen sein, andererseits fand ich das Buch aber nicht wirklich gut. Die Handlung mäandert reichlich spannungsarm vor sich hin und zieht sich stellenweise wie Kaugummi. Ich bin beileibe kein Fan der Romane von Agatha Christie und außer den Verfilmungen bekam ich nie Zugang zu den Krimis – daran hat sich auch durch Marie Benedicts Buch nichts geändert.
Das Buch wird in zwei erst zeitlich weit auseinanderliegenden Handlungssträngen erzählt, die einander nach und nach annähern: auf der einen Seite die Entwicklung der Beziehung zwischen den beiden (aus Agathas Sicht in der Ich-Form) ab ihrem ersten Treffen 1912, auf der anderen Seite das, was während des elftägigen Verschwindens passiert (aus der Sicht eines neutralen Erzählers). Die Kapitel wechseln sich im ersten Teil ab, der zweite Teil besteht ausschließlich aus „Gegenwart“ und der letztendlichen Auflösung des „Krimis“.
Den „Vergangenheits-Erzählstrang“ finde ich informativ und packend. Ich habe mitgefiebert, als Agatha Miller bei einem Ball auf den Air Force-Piloten Archibald Christie trifft und sich in ihn verliebt. Auch die Wette zwischen ihr und ihrer Schwester, ob es ihr gelingen könnte, einen Kriminalroman zu schreiben, fand ich sehr spannend. Ihre devote Haltung gegenüber ihrem Mann war anfangs etwas verstörend, die Protagonistinnen ihrer eigenen Romane sind da wesentlich emanzipierter. Aber die Wandlung der Einstellung der Eheleute zueinander von und „Ich verspreche dir, dass du bei mir immer an erster Stelle kommen wirst. Niemand anders als du. Nicht einmal dieses Baby.“ und „Du bedeutest mir alles“ hin zu „Hör auf zu betteln, Agatha. Das macht dich nur noch unattraktiver, als du ohnehin schon bis“ ist wirklich interessant zu verfolgen.
Für mich ist der erste Handlungsstrang auf jeden Fall spannender als der zweite, die Ermittlungen der Polizei im Vermisstenfall, die ich einfach nur schrecklich langatmig fand und die nie wirklich von der Stelle kamen. Mit diesen Abschnitten wollte ich irgendwann einfach nur noch zum Ende kommen und letztendlich habe ich das Interesse an der Auflösung des Falls verloren. Der Schluss ist stimmig und plausibel, kommt mir aber einerseits zu abrupt, andererseits aber dauerte der Weg dahin durch die schleppend verlaufende Suchaktion, die zahlreichen Wiederholungen und die vielen Längen viel zu lang.
Die Charaktere des Buchs fand ich nicht besonders dreidimensional ausgearbeitet. Sie waren für mich, obwohl sicherlich zum Teil authentisch beschrieben, zu wenig greifbar. Vor allem Agatha Christie, die devote Ehefrau, zerrieben zwischen der Liebe und Fürsorge Mann, Kind und Mutter und ihrer Leidenschaft fürs Schreiben, konnte bei mir nicht punkten. Sprachlich fand ich das Buch sehr gut und flüssig zu lesen, wodurch es für mich nicht zu einer kompletten Enttäuschung wurde, aber leider über ein „unterhaltsam“ und „kann man lesen, muss man aber nicht“ nicht hinauskommt. Für mich hat die Autorin es auf jeden Fall nicht geschafft, Biografie und Roman, Fakten und Fiktion zu einer wirklich gelungenen Einheit zu verbinden, von mir daher drei Sterne.