Kriegerinnen und Prinzesschen

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In Männerkleidung und mit dem Schwer zogen chinesischen Legenden zufolge Frauen wie Qui Jin und Hua Mulan in den Kampf, für die Ehre ihrer Famili, zur Unterstützung ihrer Väter. Die kämpferische, selbstbewusste Frau blieb gleichwohl im alten China noch mehr die Ausnahme als im Westen – dafür sorgteb schon die zum Schönheitsideal emporgehobenen “Lotusfüßchen”, mit denen chinesische Frauen buchstäblich keine großen Schritte unternehmen konnten, sondern jahrelang Schmerzen aushalten mussten, während ihre Füße für die Idealform verkrüppelt wurden.

Die niederländische Autorin Bettine Vriesekoop machte sich für ihr Buch “Mulans Töchter” auf die Suche nach den jungen Frauen des zeitgenössischen China, führte zahlreiche Gespräche, um das Lebensgefühl der Chinesinnen nach Jahren der Ein-Kind-Politik im Riesenreich zwischen Tradition, dem Einfluss der Kommunistischen Partei in die Lebensbereiche und Aufbruch zu finden. Wie sind sie, die jungen Chinesinnen? Selbstbewusste Nachfahrinnen Mulans oder doch eher die verwöhnten Prinzessinnen? Tigerinnen, die nach wirtschaftlichem Erfolg greifen oder ewig Benachteiligte in einem Land, in dem viele Ehepaare vor allem auf Söhne hoffen und weibliche Säuglinge immer wieder ausgesetzt oder ermordet wurden?

Der Untertitel “Wie moderne Frauen das Gesicht Chinas verändern” klingt nach der Lektüre ein bißchen sehr optimistisch. Denn Vriesekoop konnte in ihren Gesprächen nur einen kleinen Ausschnitt der chinesischen Frauen kennenlernen – diejenigen, die eigentlich überall die besten Voraussetzungen für Erfolg mitbringen: Gut ausgebildet, aus den Städten, im Beruf oder Studium bereits erfolgreich. Das Schicksal der Frauen aus der Provinz, der Landarbeiterinnen, der Frauen ohne Bildungschancen wird meist nur gestreift, findet durch Hörensagen statt.

Doch auch die Frauen mit den besten Voraussetzungen haben mit Problemen zu kämpfen. Einige klingen für westliche Leserinnen vertraut – die “gläserne Decke” im Berufsleben, Alltagssexismus, die Notwendigkeit, immer noch besser zu sein als die Männer in gleicher Position. Die Angst vieler Männer vor einer erfolgreichen, selbstbewussten und auch materiell unabhängigen Partnerin.

Anderes hingegen gilt in dieser Form nicht (mehr) – die Einmischung vieler Eltern in das Privatleben und vor allem die Partnersuche ihrer erwachsenen Töchter, der Ehrgeiz, einen reichen Mann heiraten zu wollen und gut versorgt zu sein, unzureichende sexuelle Aufklärung, der gesellschaftliche Zwang, früh heiraten zu müssen – ab 27 Jahren gilt eine Frau bereits als “Essensrestchen” und schwer auf dem Partnermarkt vermittelbar.

Trotzdem, man muss nur mal an die Gesellschaftsbilder der 50-er Jahre zurückdenken und kann sich dann jede Überheblichkeit über Rückständigkeit im Bezug auf Frauen sparen – auch im Westen ist es noch nicht so lange her, dass Frauen vor allem schmückendes Beiwerk eines Mannes und Mutter seiner Kinder zu sein hatten.

Auch wenn Vriesekoops Gespräche nur einen Teil der chinesischen Gesellschaft widerspiegeln können, spannend ist es schon, einen Einblick in die Denk- und Lebenswelten der Chinesinnen zu bekommen und mit den eigenen zu vergleichen. Empfehlenswert vor allem für Leser, die an Frauen-, Gender- und Gesellschaftsfragen interessiert sind.