zu viel Durcheinander?

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falo65 Avatar

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Ich spar mir mal die häufig an dieser Stelle übliche Inhaltsangabe. Entweder würde sie sehr oberflächlich oder sie würde den Rahmen erheblich sprengen, denn hier sind wir schon beim Problem des Buches, welches es auch wiederum lesenswert macht. Der Autor fordert viel Konzentration vom Leser. Viele Personen, viele Verbrechen, viele Handlungsstränge, da fühlt sich mancher Leser vielleicht etwas überfordert. Auch der Ermittler in diesem Buch Commissario Grauner reflektiert die Ermittlungen während einer Besprechung in seinen Gedanken so: „Der Wald war dichter als sonst, das Dunkel finsterer. Zu viele Stränge, zu viel Durcheinander.“ Hier hat der Autor das Kurz-Urteil über sein Werk schon ins Buch eingebaut.
Gleichzeitig führt dies aber auch dazu, dass der konzentrierte Leser mit einer relativ gleichbleibenden Spannungskurve belohnt wird, und wissen möchte wie es in den verschiedenen Handlungssträngen weiter geht.
Gur gefallen hat mir die wortgewaltige, teilweise poetische Sprache des Autors, der Leser bekommt immer wieder eine düstere Grundstimmung vermittelt, was diesen Alpen-Krimi deutlich von den meisten anderen unterscheidet. Allerdings verwendet der Autor immer wieder Dialektworte und italienische Sätze ohne diese zu erläutern bzw. zu übersetzen. Hier hätte ich mir Fußnoten oder ein Glossar gewünscht, solche Dinge zwischendurch immer wieder im Internet nachzuschlagen hemmt den Lesefluss und stört den Lesegenuss. Eine gute Idee sind die beigefügten Karten, die dankenswerterweise auch im E-Book zu finden sind.
Die Charaktere sind vielschichtig und detailliert. Man erhält tiefe Einblicke in die Gedanken der handelnden Personen, was insbesondere bei den Südtiroler Einheimischen interessant ist. Das Ermittlerduo ist sehr unterschiedlich, die daraus erwachsenen Differenzen lassen ab und zu auch eine Prise Humor in das Buch Einzug halten. Commissario Grauner ist Südtiroler mit Leib und Seele aber auch recht altmodisch, er hat mich in vielem an Kommissar Kluftinger erinnert, beide haben z.B. ein nahezu krankhaftes Verhältnis zu ihren alten Autos ( Die Szene in der der Autor beschreibt, wie Grauner zunächst verzweifelt nach einem Ersatzteil für seinen alten Panda sucht und sich danach an einen neuen gewöhnen muss – Stichwort Funkfernbedienung für die Zentralverriegelung – gehört für mich zu den humoristischen Highlights des Buches). Ispettore Saltapepe, gebürtiger Neapolitaner, kann mit seiner neuen Heimat Südtirol wenig anfangen. Seine Reaktionen auf typische (süd-)tiroler Bräuche, Gewohnheiten und Speisen dokumentieren herrlich, wie unnatürlich die Zugehörigkeit Südtirols zu Italien – als Folge des ersten Weltkriegs und des „Diktats von Saint-Germain“ (1919) – eigentlich ist.
Insgesamt ein besonderer Alpen-Krimi der mir gut gefallen hat, und der Epilog macht ja Hoffnung auf weitere Bände dieser Serie.