Rekonstruktion einer Lebensgeschichte

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Berlin ist eine Stadt, die die Menschen immer wieder fasziniert. Schon allein das Wort „Berlin“ hat für viele Menschen eine besondere, symbolische Bedeutung. Rose ist hier keine Ausnahme. Aber wenden wir uns zuerst der Ich-Erzählerin von „Nächstes Jahr in Berlin“ zu…

… die in diesem Fall die Autorin ist. Astrid Seeberger schreibt hier nämlich über den Tod ihrer Mutter Rose und deren Lebensgeschichte.

Der Roman beginnt mit dem Ende. Die Ich-Erzählerin reist nach Stuttgart, um den Nachlass ihrer verstorbenen Mutter, Rose, zu klären. Ihre Beziehung zueinander war eher distanziert. Während sie mit ihren eigenen Gefühlen in dieser Situation kämpft, gerät sie immer wieder ins Erzählen und so wird eine Familiengeschichte rekonstruiert, die über Jahrzehnte hinweg immer weitere Enthüllungen enthält. Es entsteht eine Mischung aus dem Jetzt und Erinnerungen. So erfährt man nach und nach Roses Lebensgeschichte, von ihrer Kindheit in Ostpreußen, ihren Erlebnissen aus dem 2. Weltkrieg, wie sie geflohen ist, sich verliebt hat, ihre Familie wiedergefunden, aber zum Teil wieder verloren hat und vieles mehr.

Der Roman ist in fünf Teile unterteilt. Im ersten Teil geht es hauptsächlich um die Reise der Ich-Erzählerin nach Stuttgart und ihre Erinnerungen. Die übrigen Teile konzentrieren sich weitestgehend auf Rose.

Der Schreibstil ist anfangs gewöhnungsbedürftig. Man muss sich daran gewöhnen, den vielen Gedankensprüngen zu folgen und die Informationen in den vielen verschachtelten Sätzen miteinander in Einklang zu bringen. Der Teil über Stuttgart erfordert dem Leser oder der Leserin schon einiges ab. Dies ändert sich im Laufe des Romans. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Lebensgeschichte der verstorbenen Mutter rekonstruiert wird, lässt er sich „leichter“ lesen.

Literatur und das Lesen an sich spielen eine große Rolle für die Ich-Erzählerin. Die vielen Zitate großer Denker und Autoren, die großen Raum in ihren Erzählungen einnehmen, können meiner Meinung nach zweierlei Dinge bewirken: Entweder sie wecken das Interesse, sich den durchaus philosophischen Denkanstößen zu widmen, ja vielleicht sogar, eines der Bücher aus dem Quellenverzeichnis (Ja, dieser Roman besitzt eins!) zu lesen; oder aber man findet es anstrengend, diese Gedanken nachvollziehen zu müssen und liest darüber hinweg.

Zurück zu Anfang und zu Berlin: Der Titel des Romans ist „Nächstes Jahr in Berlin“, ein Ausruf, der durchaus öfter fällt. Er wird mit einer Sehnsucht und Hoffnung verbunden, mit einer Freude auf die Zukunft, die sich leider nicht wie gewünscht erfüllen kann. Daher ist es vor allem eine sehr traurige Geschichte, aber definitiv keine leichte Lektüre für zwischendurch.