Im Schutze der Familie

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daphne1962 Avatar

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Manchmal glaube ich, wir sind keine Familie, sondern ein biologisches Experiment (AL Bundy)

Das könnte auch auf die Familie Cardinal zutreffen. Vor allem, wenn man liest, wie die 21 Kinder der Großfamilie aufgewachsen sind. Ein Leben mit vielen Entbehrungen und mangelnder Zuwendung der Eltern. Wild und ungestüm sind die Kinder groß geworden. Die Mutter chronisch müde, verbrachte die meiste Zeit in der Küche beim Kochen. Sie hatte nur eines im Sinn. Die Kinder müssen was essen und satt werden. Der Vater in seiner eigenen Welt. Wenn er nicht nach "Schätzen" suchte in der Erzmine, die man eines Tages einfach geschlossen hat und die Menschen sich selbst überließ, verkroch er sich in seinen Keller um alle Funde zu begutachten
und zu katalogisieren.

"Er hatte ein geologisches Konzept im Kopf, sonst nichts. Er suchte nach
einem Batholith, einen Diabas oder irgendeiner anderen Gesteinsformation,
die er auf seinen Karten entdeckt hatte, und ließ sich von den Hinweisen
leiten, die ihm das Gelände lieferte. Er suchte nach Blei, Zink, Kupfer,
Nickel, aber nicht nach Gold. Gold mochte er nicht" (S.151)

Die Autorin Jocelyne Saucier ist in Kanada eine bekannte und erfolgreiche Schriftstellerin, die einige Preise eingeheimst hat mit ihren Romanen. Hier haben wir sie mit ihrem Roman "Ein Leben mehr" kennen gelernt. Dieses Buch wird derzeit sogar verfilmt.

In "Niemals ohne sie" hat sie die wichtigsten Kinder der Familie nach und nach zu Wort kommen lassen. Der Leser muss selbst herausfinden, wer seine Kindheit gerade dem Leser offenbart und Ereignisse aus der Perspektive schildert, wie er sie wahrgenommen hatte. Es waren hart gesottene Kinder, die um die Plätze in der Familie stritten, ob am Tisch beim Essen oder vor dem Fernseher. Sie mussten sich gegen alle im Dorf Norco wehren, die Landeier, wie sie sie nannten, die anders und neidisch waren.

Nach 3 Jahrzehnten treffen sie alle aufeinander. Bei einem Kongress soll der
Vater eine Ehrenmedaille erhalten. Bei 21 Kindern gibt es einen gewaltigen
Altersunterschied. Die Ältesten sind bereits aus dem Haus, als der Letzte
auf die Welt kam. Der Kleinste weiß gar nichts von der Tragödie, die sich in der Familie einst ereignet hatte. Er bekommt auch nicht so wirklich was heraus. Es wird geschwiegen, vertuscht, verdrängt. Tragisch, wie sich alles entwickelt hat, aber dennoch auch unbeantwortet blieb.

Ich bin sehr gespannt, was die Autorin noch dem Leser präsentieren wird.
Welchem außergewöhnlichen Thema sie sich widmet. Sie geht ja zunächst
einmal in Deutschland auf Lesereise. Dafür wünschen wir ihr viel Erfolg.