Cinderella 2017

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"Nothing like us" ist der neue Roman von Kim Nina Ocker. Er spielt in New York, wo die 19-jährige Lena Winter kann ihr Glück kaum fassen: Sie hat einen Praktikumsplatz in der Küche des WEST Hotel & Residences ergattert - eines der größten und angesehensten 5-Sterne-Hotels in New York. Doch statt den Köchen und Pâttisieren bei der Arbeit zuzuschauen oder gar zur Hand zu gehen, muss sie an ihrem ersten Tag im Hotel den Hof fegen und Wäschekammern aufräumen. Das hatte sie sich eigentlich anders vorgestellt. Zumal ihr dann auch noch ein anderer Praktikant zur Seite gestellt wird, der zwar unverschämt attraktiv ist, dessen überhebliche Art sie aber vom ersten Moment an in den Wahnsinn treibt. Was sie nicht ahnt: Der Mann, den sie soeben zum Bodenfegen verdonnert hat, ist niemand anders als Sander West, der Sohn und Erbe des milliardenschweren Besitzers der WEST-Hotelkette. Doch Sander ist so fasziniert von der schlagfertigen und ehrgeizigen jungen Frau, dass er das Missverständnis nicht aufklärt. Schon bald knistert es heftig zwischen den beiden. Aber was geschieht, wenn Lena die Wahrheit erfährt?

Das Cover ist sehr aussagekräftig und spiegelt den Inhalt des Romans, der in einem berühmten Hotel in New York spielt. Der Leser sieht ein Schild, das an den altmodischen Griff einer Zimmertür gehängt worden ist. Auf dem Schild findet der Leser den Titel des Romans. Er verrät uns das literarische Genre dieses Romans, der sich – ganz klar – um eine große Liebesgeschichte zwischen jungen Menschen dreht.

Die Handlung wird aus zwei Perspektiven geschildert. Als Ich-Erzähler fungieren Lena und Sander, die jeweils ihre Sicht der Geschehnisse erzählen. Auf diese Weise kann der Leser ihre Gedanken und Gefühle genau nachvollziehen. Ihre Geschichte lässt sich flüssig lesen; inhaltliche Wiederholungen gibt es nicht. Der Plot der Geschichte ist altbekannt; der Leser erwartet eine moderne Version der Cinderella-Story – und er bekommt sie auch. Das Setting ist gut gewählt; amerikanische Städte sind für deutsche Leser immer interessant, und New York ist das Ziel vieler Reisenden.Insoweit hat Kim NIna Ocker alles richtig gemacht.

Bei der Gestaltung der Protagonisten bedient sich Kim Nina Ocker aller gängigen Klischees. Ihre Protagonisten Lena und Sander sind attraktiv, jung, liebenswert und sympathisch. Glücklicherweise gibt die Autorin ihnen aber auch einige charakterliche Macken mit auf den Weg, die sie nicht wie abstrakte Märchenfiguren, sondern relativ realistisch erscheinen lassen. Lena ist die moderne Version von Aschenputtel, die man gleich zu Beginn den Hof fegen sieht. Sie kommt aus einem kleinen Kaff in Deutschland und ist ein aufbrausendes, unbesonnenes Mädchen, das aus dem Bauchgefühl heraus handelt und immer das letzte Wort haben muss. Sie hat klare Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft und gibt sich viel Mühe, ihr gestecktes Ziel zu erreichen. Sander ist der verständnisvolle reiche Prinz, der seine wahre Identität vor ihr zu verbergen sucht. Trotz seiner exponierten gesellschaftlichen Stellung ist er nicht materialistisch eingestellt, sondern ein bodenständiger, geerdeter junger Mann und macht sich – im wahrsten Sinne des Wortes – lieber die Hände schmutzig, wenn er in seiner Hobby-Werkstatt schuftet.

Die Nebenfiguren sind weit weniger angenehme Persönlichkeiten. Der Vater von Sander ist ein strenger Patriarch, der viel Wert auf Etikette legt. Sein Stiefbruder wird als kühler Lebemann dargestellt, der das süße Leben genießt. Lena muss sich mit ihren distanzierten schwulen Vermietern herumschlagen, die ihr viel Geld für eine winzige Bruchbude abknöpfen. Auch ihre Chefin Carla macht einen unnahbaren Eindruck, zeigt sich aber im Laufe des Geschehens von einer menschlicheren Seite. Dagegen ist Lexie eine exzentrische beste Freundin, die sie zu kleinen Eskapaden ermutigt und mich an die gute Fee im Märchen erinnert hat.

Kim Nina Ocker erzählt eine moderne Version eines bekannten Märchens, und das Buch lässt sich mühelos lesen. Der Leser erlebt ein Wechselbad der Gefühle; die Liebenden machen es sich und dem Leser nicht gerade einfach. Die Welt der Gegensätze (Arm und Reich, Deutschland und USA) wird anschaulich dargestellt. Trotzdem ist die Liebesgeschichte stellenweise etwas langatmig geraten, und man hätte den Roman durchaus um einige Kapitel kürzen können. Die Handlung ist romantisch und zuckersüß, aber in weiten Teilen vorhersehbar. Auch der Sprachstil kann mich nicht ganz überzeugen. Kim Nina Ocker wählt häufig flapsige, umgangssprachliche Ausdrücke, die zu der Zielgruppe ihres Romans passen mögen. An manchen Stellen hätte ich mir eine geschliffenere Sprache gewünscht. Vielleicht bin ich für dieses Buch etwas zu alt.

Nichtsdestotrotz hat mir der Roman gut gefallen. Er bietet locker-leichte Unterhaltung und ist die ideale Urlaubslektüre für alle jungen und jung gebliebenen LeserInnen, die einfach mal vom Alltag abschalten und in aller Ruhe träumen wollen.