Wenn man Bettgeschichten mag

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elke seifried Avatar

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Die eingefleischte Großstädterin Stella, die nachdem sie von ihrem Ex nicht nur betrogen, sondern auch um den Job gebracht wurde und jetzt nach der Trennung ohne Dach über dem Kopf dasteht, hat nur einen Plan und der ist, das geerbte Häuschen, das ihr ihre Mutter hinterlassen hat, schnellstmöglich verkaufen und mit dem Geld endlich bei ihrer Karriere als Modedesignerin in New York durchzustarten. Hals über Kopf und reichlich unvorbereitet macht sie sich auf den Weg und „Jetzt stand sie also hier auf dem Land, mit geglätteten Haaren, in High Heels, in Seide und Kaschmir, und unterdrückte ihre Angst, so gut es ging.“

Als Leser lernt man Stella in ihrer verzweifelten Lage kennen und kommt dann mit ihr am Bahnhof von Laholm an. Bus, Taxi weit gefehlt, aber auf dem Land hilft man sich und so wird man mit ihr vom attraktiven Biobauern Thor zu dem alten Häuschen chauffiert. Von Freundin Maude später mit den Worten kommentiert „Sie sah sich in der Hütte um, als ob sie sich fragte, ob sie an einem Set für einen Film über Entbehrungen in historischer Zeit gelandet war.“, stellt sich auch bei Stella zunächst Ernüchterung ein. Kein Hotel gebucht, Geld dafür ebenfalls weit gefehlt, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich in der Bruchbude ohne fließendes Wasser, ohne Strom und ohne Bett, erst einmal einzuquartieren. Welch ein Glück, dass Thor nicht nur gerne den Chauffeur spielt, sondern sie auch mit Essen und allem anderen Notwendigen versorgt. Warum dann also nicht auch zuschlagen, wenn gilt, küssen kann er auch und im Bett ist er der Hit. Kann aus einer Bettbeziehung mehr werden, sie sich vielleicht sogar ins Landleben verlieben und lassen sich in der Bruchbude Hinweise auf ihren unbekannten indischen Vater finden? Das wird natürlich nicht verraten.

Ein Ausflug in ein idyllisches südschwedisches Städtchen, ein bisschen Landleben mit witzigen Szenen mit einer Ziege und eine nette Liebesgeschichte, das hatte ich mir von der Buchbeschreibung erwartet. Ein bisschen angelesen, Stella, die ihre Situation zu Beginn real einschätzt, dann auf recht amüsante Weise auf Stöckelschuhen ins Ländliche stolpert, hat mich auch sofort angesprochen, deshalb habe ich zu diesem Buch gegriffen. Zwar gibt es anfänglich ganz witzige Szenen, wie z.B. die mit dem süßen Welpen, »Ach, Pumba«, seufzte Thor, beugte sich hinunter und hob den Welpen vorsichtig aus einem Kaninchenbau heraus, wo er feststeckte, das Hinterteil in der Luft. Der Hund sprang bellend einer Hummel hinterher.“, oder auch wirklich tolle Beschreibungen, wie „Zusammen liefen sie durch den Garten, wo die Obstbäume sich in unterschiedlichen Stadien der Blüte befanden. Äpfel, Birnen, Kirschen und exotischere Arten: Aprikosen und Mandeln an einem sonnigen, geschützten Platz. Ein Habicht segelte am Himmel und verscheuchte kurzzeitig kleine Singvögel und andere Beutetiere. Bachstelzen und Lerchen suchten nach Insekten, und auf dem Teich hatte sich ein geräuschvolles Schwanenpaar niedergelassen, zum Ärger der Enten.“, die musste ich dann aber leider lange Strecken über zunehmend unter Sexszenen suchen. Ich mag es generell am liebsten, wenn solche am besten nur angedeutet werden, kann vielleicht ein paar einzelne, kurze noch gut verschmerzen, aber hier war es mir eindeutig zu viel und hat mir mit jeder neuen mehr den Spaß am Lesen genommen. Dirty Talk, frisch gewaschen oder nicht, das mag ich in einem Liebesroman zum Abschalten nicht lesen und schon gar nicht ständig und über viele Seiten hinweg. „Er hatte so einen männlichen Hals. Sonnengebräunt und muskulös. Wie ein Zugochse. Oder ein Sexsklave, der ein Meister des Cunnilingus war. Sie stemmte eine Hand in die Seite. »Was für eine Frage. Was glaubst du?« »Willst du Sex?«, fragte er, und seine Augen funkelten. »Schrecklich gern.« Also hatten sie Sex. Schon wieder. Und wieder. Das und „schon wieder“ trifft es dabei sehr genau, das habe ich mich beim Lesen auch gedacht. Außerdem finde ich Beschreibungen wie „Sie hatte sogar darüber nachgedacht, ihren Anus zu bleichen, Peder zuliebe. Wie krank war das denn? Und jetzt saß sie hier mit Haaren auf den Beinen und herausgewachsenem Muschihaar und hatte sich seit Langem nicht so sehr wie sie selbst gefühlt weder amüsant, noch erotisch noch irgendwas. Ich befürchte das hat mir auch den weiteren Spaß am Buch vermasselt. Ich war richtig genervt, wenn die beiden z.B. nach Hinweisen nach ihrem Vater im Dachboden suchen wollen, dann die Treppe aber nicht ohne Sexpause meistern, oder wenn ich sogar beim vom leckeren Essen träumen, noch an das Thema erinnert werde. „…und dann wurde ihr Essen serviert. Frische, große Krabben von der Westküste für Stella, dampfender Fisch mit Meerrettich und Pellkartoffeln für Thor. Sie schaffte es zu essen, ohne dabei an Sex zu denken.“ Ein wenig besser wurde es dann wieder im letzten Fünftel des Romans, in dem die Geschichte durch Aussprachen und damit auch einigen bewegende Szenen noch einen etwas ernsteren Anstrich bekommt. Wie wichtig Reden ist, wie schwer einem Missverständnisse das Leben unnötig machen können, wird hier von der Autorin teilweise wirklich emotional beschrieben. Gut hat mir hier auch gefallen, dass Rassismus, Wegwerfmentalität und künstliche Lebensmittel einen Seitenhieb abbekommen. Richtig schade fand ich, dass ich am Ende feststellen musste, dass aus der Suche nach dem Vater, »Könnte sich in diesen Kartons ein Hinweis verstecken?«, fragte Thor. »Vielleicht. Aber ich bezweifle es. In all den Jahren, in denen ich gehofft habe, dass meine Mutter mir einen Tipp aus dem Jenseits gibt, ist nichts passiert. Warum sollte hier etwas sein?«, wirklich nicht viel mehr ergibt, als noch zwei weitere kleine Erwähnungen am Rande.

Stella fand ich anfangs recht amüsant, dann hat mir ihre Sexbessenheit allerdings einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch wenn ich ihr gutes Herz durchaus immer erkennen konnte, war sie mir über lange Strecken einfach zu oberflächlich. Thor hingegen konnte ich mehr abgewinnen, auch wenn er natürlich den gleichen Anteil an der Affäre trägt. Ein Mann, der weiß, was Verantwortung heißt, auch was an erster Stelle stehen muss, ich mochte ihn richtig gern. Auch die kleinen Nebenrollen, bei der pubertären Tochter Juli, die ihr Päckchen zu tragen hat, angefangen, über deren Großmutter Rakel, die nicht so herzlos ist, wie es auf den ersten Blick erscheint, bis hin zu Stellas Freundin Maude, der vehementen Frauenrechtlerin, sind für einen Liebesroman abwechslungsreich und gelungen gezeichnet.

Alles in allem bin ich wohl einfach die falsche Zielgruppe, um von der Autorin, die mich stellenweise durchaus gelungen unterhalten hat, mit diesem Roman begeistert von ihrer Geschichte eingefangen werden zu können. Für die schönen, witzigen und durchaus auch berührenden Szenen, die sich auch finden, gibt es bei mir daher leider nicht mehr als drei Sterne.