Bavaria fällt vom Stern

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bavaria123 Avatar

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Buchcover sind wie Kunstwerke. Sie machen neugierig auf den Inhalt des Buches. Im ersten Moment habe ich mich gefragt, was das Cover dieses Buches mit seinem Inhalt zu tun haben sollte. Ich musste zwei Drittel des Buches lesen, bis ich das dann verstanden hatte. Und dann ist es ein wirklich sehr schönes Cover, weil es eben zur Geschichte, die zwischen den beiden Buchdeckeln erzählt wird, durchaus passt. Leider bleiben die Coverdesigner zu Unrecht oft unbeachtet. Hier wird dann aber erwähnt, wer dafür verantwortlich ist. Vielen Dank an Peter-Andreas Hassiepen aus München.

Ein vorhergehendes Buch von Anna Gavaldon hatte ich geschenkt bekommen. „Zusammen ist man weniger allein“ habe ich zwar im Regal stehen, allerdings noch ungelesen. Es war 2004 ein ziemlicher Erfolg und wurde auch verfilmt, die Hauptrollen besetzen Audrey Tautou und Guillaume Canet.

Gleich zu Beginn des Buches findet man die beiden Protagonisten in einer ziemlich vertrackten Situation. Sie sind in eine Felsspalte gestürzt. Er – Franck – scheint verletzt zu sein und im Koma. Sie – Billie – will wachbleiben und beginnt, ihr gesamtes Leben komprimiert einem Stern am Himmel und auch dem Leser zu erzählen.
Das hört sich erst einmal sehr poetisch an. Der gewählte Stil ist aber das krasse Gegenteil.
Zum einen schreibt die Autorin in sehr abgehackten Satzfragmenten, die Worte sind schnoddrig, vulgär und sehr oft dem Fäkalienreich entnommen. Das ist auf jeden Fall sehr gewöhnugsbedürftig. Wenn man aber weiter liest, stößt man dann plötzlich aber auch auf Vokabeln, die zu dieser einfachen Sprache nicht passen. Gut, die in Ich-Version erzählende Billie ist ein widerborstiges Mädchen aus der Unterschicht. Sie hat viel durchgemacht und hat auch die Schulausbildung nicht zu Ende gebracht. Und so kotzt sie eben ihre Gedanken aus. Allerdings wird ihre Vergangenheit so dargestellt, dass ich keinerlei große Empathie zu ihr aufbauen konnte.

Von Franck erfährt man direkt nicht viel, er sinkt ja recht schnell ins Koma und es wird nur über ihn erzählt. Auch er ist ein Außenseiter des Lebens. Schwul und deshalb von seinem Vater verstoßen. Dabei kommt er eher aus einer gutbürgerlichen Familie. Aber auch er bleibt für mich eher blass und ohne richtige Kontur.

Die Handlung an sich ist ein Hingeplätschere ohne große Höhen und Tiefen. Man rührt im französischen Milchkaffee herum, ohne etwas greifen zu können. Dabei würde man sich schon über einen seichten Brocken wie von einem Croissant als Leser freuen. Auf Seite 88 steht im Buch: Die Szenerie ist beschissen, die Handlung eher spärlich. Gut, genau das beschreibt den Inhalt dieses Buch auf kurze, aber sehr wahrheitsgemäße Weise.

Spannung? Fehlanzeige. Dafür gibt es aber jede Menge Kitschmorast und Klischeekisten. Auch der Versuch einen anderen Schreibstil kurzfristig einzufügen klappt auch nicht richtig. Das Theaterstück von Alfred de Musset, einer der Großen unter den französischen Romantikern, „Man spaßt nicht mit der Liebe“ spielt für Billie und Franck eine große Rolle. Und so wird auch ein kleiner Teil des Buches wie ein Theaterstück geschrieben. Aber auch das hat mich nicht richtig überzeugt. Das eigentliche Theaterstück ist schon ein interessantes Werk, keine Frage und es wird auch von deutschen Theatern immer mal wieder aufgeführt. Aber hier wird es benutzt. Als Kulisse, als Hintergrund. .Im Stück geht es um Perdican und Camille, die sich seit Kinderzeiten kennen und die nun, da Perdican die Universität beendet hat, endlich heiraten sollen. Doch bestärkt durch skurrile Ratgeber und bigotte Prediger finden die beiden nicht mehr zusammen. Perdican tröstet sich mit dem Bauernmädchen Rosette, das zum Spielball der beiden an Erziehung so reichen, aber an Erfahrung so armen Liebenden wird und, als sich Predican und Camille endlich doch finden, ihre Liebe zu Perdican mit dem Leben bezahlt. Denn sie hat – als Einzige – geliebt und nicht nur mit der Liebe gespielt. Tragisch. Aber für dieses Buch doch eine Nummer zu groß. Denn selbst die Diskussion über dieses Theaterstück ist eher oberflächlich.

Oberflächlich und für mich wirklich nicht nachvollziehbar ist dann die Entwicklung von Billie und Franck zu dem Teil hin, der dann ihre derzeitige direkte Vergangenheit und Gegenwart darstellt. Da kam ich mir dann fast vor, als würde ich ein Märchen lesen. Das war zu viel des Guten.

Was bleibt, wenn man das Buch durchgelesen hat? Der Wunsch, das Theaterstück zu lesen. Die Erkenntnis, dass die Erfahrungen, die man in der Kindheit gemacht hat oder gar machen musste, einen das Leben lang begleiten. Die Gewissheit, dass Freundschaften lebenswichtig sind. Die Feststellung, dass 18,89 Euro für dieses Buch sich nicht lohnen.

Empfehlen kann ich das Buch nicht. Wegen dem schönen Cover und dem Hinweis auf das Theaterstück gebe ich aber doch zwei Sterne.