Mein Flop des Jahres

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
elke seifried Avatar

Von

Eigentlich ist mir ein Cover nicht so wichtig, hier hat es mich definitiv angelockt. Ich mag bitterböse Komik und deshalb haben mich die Romanbeschreibung und auch die ersten Blicke ins Buch, bei dem ich in einem Prolog als Leser schon darauf hingewiesen wurde, dass ich den Roman als Hommage oder als Rufmord an ihrer Oma erachten kann, mich durchaus amüsiert. Aus diesen Gründen habe ich zugegriffen, obwohl ich die Komikerin bisher nicht kannte, auch nichts um die großen Debatten um das Buch wusste. Gelohnt hat sich dieser Griff für mich allerdings nicht.

Der erste Teil des Romans spielt in der unmittelbaren Nachkriegszeit, 1945 in einem von den Russen besetzten Gebiet in Österreich. Die Helga, die Omama, ein fleißiges, aber hässliches Entlein, und ihre schöne Schwester Inge sind heranwachsende Teenager. Beide Mädchen könnten unterschiedlicher nicht sein. Inge mannstoll und strohdumm, glaubt man zumindest Oma Helgas Erinnerungen, sie hingegen gescheit, aber eben nicht hübsch genug für die Männerwelt. In den Nachkriegsjahren hatten sicher beide kein leichtes Los, ganz besonders auch nicht bei den Eltern, einem Vater, der am liebsten arbeitslos ist und säuft und einer Mutter, die ihre Mädchen für ihre Schulden verschachert. Im zweiten Teil, der dann auf dem platten Land spielt, soll Helga wieder einmal für die Schuld des Vaters vergelten und dafür einen Dorfwirt heiraten, der allerdings bereits eine Angetraute hat. Hier wird dann daher vornehmlich eine Charakterstudie der Dorfbevölkerung geboten vor allem von „Die Dorfmatratze ist nur eine jener vier sakralen Säulen jeder dörflichen Gemeinschaft. Schönling, Matratze, Depp und Trinker. Die vierfache Einfältigkeit. Heute stehen an ihrer Stelle lust- genuss- humorbefreite Sitten- und Moralapostel und eine primitive Heerschar ungustiöser Epignonen.“, aber auch wie Helga mehr oder weniger Liebesglück fand und in andere Umstände gelangte, erfährt man hier. In einem dritten Teil erfährt man dann von ihrer Schmuggelkarriere und darf auch an Treffen von Enkelin und Oma teilnehmen, bzw. erfährt von gemeinsamen Erlebnissen in der gemeinsamen Vergangenheit. Dadurch bekommt man noch einige Vorlieben, Macken und Eigenheiten der Omama erzählt.

Lisa Eckhardt spielt mit Sprache und vermag sich durchaus auch gekonnt auszudrücken, teilweise wirft sie mit Fremdwörtern nur so um sich. Da heißt es dann z.B. „Sie kann im Schwimmen defäkieren.“, oder die Oma hat kein Problem damit, „Ihre Tischgesellschaft zuweilen mit solch einem sonoren sowie olfaktorischen Memento mori zu beglücken.“ Besonders anfangs konnte ich auch nicht selten über großartige Formulierungen schmunzeln und mich z.B. darüber amüsieren, dass gilt, „Großmutters Geschichtesrevisionismus, welchen sie liebevoll Gedächtnis nennt, ist gelinde gesagt, mit Vorsicht zu genießen. Doch was sollen eitle Fakten? Was zählt, ist die gefühlte Temperatur und somit auch die gefühlte Geschichte.[…] Und vielleicht waren es keine Russen, welche sich ein halbes Jahr bei meiner Großmutter einquartiert hatten. Vielleicht waren es stattdessen Briten. Ihre Familie sprach weder Russisch noch Englisch. Keiner hatte jemals zuvor einen Russen, geschweige denn einen Britten gesehen.“, „Sie will die Tochter ja nicht schlagen. Ihr tut das selbst am meisten weh. Sie hat nämlich eine Sehnenscheidenentzündung vom Häkeln. Da sollte sie sich dringend schonen. Das hat auch der Arzt gesagt. Keine schwere Hausarbeit. Und keine schwere Pädagogik.“, sind nur zwei gelungene Beispiele dafür. Auch die bösen Spitzen gegenüber Schwester Inge, „Denn manches Mal, da ist die Inge geradezu von beruhigender Dummheit. Wenn eine gar so wenig mitdenkt, dann hat das schon fast etwas Meditatives.“, haben mich oft lachen lassen. Allerdings war es mir inhaltlich dann leider doch recht schnell zu viel von deren Mannstollheit. Geht es nur darum, etwas zwischen die Beine zu bekommen? Ich kann durchaus auch mit dem einen oder anderen bösen Spruch, der sich vielleicht so am Stammtisch nach ein paar Gläschen zu viel findet, hier war es mir aber bald einfach zu viel der Fäkalsprache und der derben Ausdrucksweise, das hat mich zunehmend abgestoßen. „Ihre zahllosen Verehrer werden sich jetzt eine Jüngere suchen. Ein junges Ding, das trocken ist. Das sich nicht mehr anbrunzt und noch nicht anblutet. Oder eine ältere Dame. Die nicht mehr blutet, aber dich nicht schon wieder anbrunzt. Irgendwo zwischen Windeln und Tampons, oder zwischen Blutschlieren und Bremsspuren – da ist das Weib am angenehmsten.“ oder „Dimitri steht aus dem Tisch und brunzt von dort aus in den Abwasch.“, später wird dann ins Essen gebrunzt, sind nur einige harmlose Beispiele dafür. Nicht die derbsten, aber ich hoffe, dass ich so die Rezi überhaupt veröffentlicht bekomme.

Ganz oft habe ich mich gefragt, wohin will die Autorin eigentlich mit mir. Was haben z.B. ein Dorftrinker oder eine Dorfmatratze und deren Verhalten mit der Oma, mit einer Beziehung zwischen Enkelin und Oma zu tun? Für solch lange Exkurse wie z.B. zum Frauenarzt, der in Personalunion mit dem Dorfpfarrer daherkommt, Strategien, wie man einen im Dorf Lästigen einfach den Russen ausliefern könnte, indem man ihn als Hitler verkauft, hat es mir an Verständnis, wohl auch an dem dafür benötigten Humor gemangelt, als dass ich mich schlicht darüber amüsieren hätte können. Einige Schmunzler konnte mir der dritte Teil dann noch bereiten, aber ich hätte definitiv nichts verpasst, wenn ich das Buch nicht zu Ende gelesen hätte. Vielleicht hätte ich das eine oder andere Fremdwort weniger gelernt und wüsste jetzt nicht, warum das Buch auch vehement in der Debatte um Political Correctness ist. Aber da hätte ich getrost darauf verzichten können.

Alles in allem für mich definitiv der Flop des Jahres, ich kann mich lange an kein Buch mehr erinnern, durch das ich mich so gequält habe.