Erfüllung eines Kindheitstraums

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maria-luise Avatar

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Der Autor Michael Dangl entführt den Leser nach Venedig und erzählt in seinem neuen Roman „Orangen für Dostojewskij“, die Geschichte über ein Gedankenspiel: Was wäre, wenn,…? Dostojewskij und Rossini befanden sich nachweislich zur selben Zeit in Venedig. Dass es tatsächlich zu einer Begegnung gekommen ist, dafür gibt es weder Dokumente noch Hinweise. Aber was wäre, wenn es doch so gewesen wäre? Gänzlich unmöglich oder unwahrscheinlich ist das nicht, dass sich der Schriftsteller und der Komponist über den Weg gelaufen sind. Auf dieser Fiktion beruht dieser Roman.

Inhalt:
Als Fjodor M. Dostojewskij zum ersten Mal Venedig besucht, ist das die Erfüllung eines Kindheitstraums. Doch ist er bereits 40, im Westen unbekannt und in einer beruflichen wie privaten Krise. Die Schönheit und Lebendigkeit Venedigs erreichen ihn nicht. Da widerfährt ihm eine phantastische Begegnung: mit dem Komponisten Gioachino Rossini, 70, weltberühmt, eine Legende. Der barocke Genussmensch, Inbegriff mediterraner Leichtigkeit und Allegria, verzaubert ihn mit Lebensfreude und stellt den grüblerischen, schwermütigen Asketen in drei Tagen sozusagen vom Kopf auf die Beine. Die Gegensätze sind die größten – und doch erleben wir die Annäherung zweier hochsensibler Künstlerseelen, in teils grotesken, komischen und an die Grundfragen des Menschlichen rührenden Situationen und Gesprächen. "Ich habe Venedig noch mehr geliebt als Russland", findet sich in privaten Notizen Dostojewskijs. Der Roman spürt möglichen Ursachen dieser Liebe nach.

Meine Meinung:
Fjodor M. Dostojewski, verbringt trotz persönlicher, beruflicher und finanzieller Krise eine Zeit auf Reisen in Europa und krönt diese Reise mit dem Besuch in Venedig. Zu Beginn seines Aufenthaltes wird der Schriftsteller als ein schlecht gelaunter, zutiefst misstrauischer und eigentlich auch überforderter Mann, der sehnlichst die nächste Geldzuwendung seines Bruders abwartet, geschildert. Die Heiterkeit und Lockerheit des Südens, die er unbedingt kennenlernen wollte, bleibt ihm verschlossen. Die Welt, die ihn umgibt, ihm fremd. Er stellt unablässig Vergleiche mit seiner Heimatstadt St. Petersburg an und kann nicht loslassen. Erst die Begegnung mit Rossini, dem 30 Jahre älteren Mann, erschließt ihm letztendlich eine andere Welt.

Die Recherche zu den Künstlern über ihr Leben in der Stadt, die Besetzung durch die Habsburger, Dostojewskijs Schaffens- und Gesundheitskrise, Rossinis ausschweifendes Leben, das alles wird lebendig erzählt und lässt ein Venedig Ende des 19. Jahrhunderts, wie die beiden Künstler es erlebt haben könnten, wiederauferstehen.

Fazit:
Mich konnte der Schreibstil begeistern und fesseln. Die vielen Ausschmückungen und Personenbeschreibungen von Nebendarstellern und Schauplätzen, hätten etwas kürzer gefasst werden können, um die spannende Grundgeschichte nicht so weit auseinander zu ziehen.
Mit dem Buch hatte ich viele schöne Lesestunden! Von mir eine klare Leseempfehlung!