Marienkäfer flieg, dein Vater ist im Krieg, dei‘ Mutter ist in Pommerland und Pommerland ist abgebrannt…

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
kleine hexe Avatar

Von

Marienkäfer flieg, dein Vater ist im Krieg, dei‘ Mutter ist in Pommerland und Pommerland ist abgebrannt…
Wer kennt diesen alten Reim nicht? Er stammt aus dem Dreißigjährigen Krieg und stellt eigentlich die schreckliche Situation dar, in der sich die vielen Kriegswaisen der Zeit befanden. Und genau daran hat mich das Buch erinnert. An den Dreißigjährigen Krieg und die Zeit danach: Krieg, Pest, Cholera, die beiden Kirchen, die beide sich nicht zu scheu waren, zusätzlich zum Krieg Hexenverbrennungen durchzuführen. Wer der Soldateska entkam, konnte getrost auf die Kirche bauen, die erwischte ihn dann bestimmt. Solch ein Priester tritt hier auch auf. Dabei wirkt er manchmal direkt sympathisch.

Was passiert nach einem Friedensschluss? Was passierte damals, 1648 nach dem Westfälischen Frieden? Der wahre Frieden kehrte noch lange nicht ein.
Was passierte 1918, während und nach den Friedensschlüssen von Versailles und Trianon? Räterepubliken, Revolten, Bürgerkrieg oder kriegsähnliche Zustände. Nach 5 Jahren Krieg kannten die überlebenden Heimkehrer nicht viel anderes mehr. Woher auch?

Wenn der Krieg wirklich und endgültig vorbei ist, wie lange dauert es dann, bis auch wirklich und endgültig Frieden einkehrt? Die überlebenden Kriegsheimkehrer haben jahrelang an der Front gekämpft, haben alles andere verlernt, vergessen, verdrängt. Sie kennen nur noch Mord und Totschlag. Und was an der Front gut war, soll nun auf einmal nicht mehr gut sein? Wer wagt es denn zu widersprechen? Einer solchen Horde heimkehrender Soldateska begegnen wir im Roman. Sie macht nun die Straßen unsicher bis sie daheim ist. Nach außen hin wird Stärke und Gemeinschaft gezeigt, im Inneren aber schwelen ständige Rangkämpfe. Sobald einer die Autorität des Anführers in Frage stellt, muss dieser sofort und gnadenlos seine Macht zeigen und den Meuterer töten. Die Ähnlichkeit mit dem Leben in einem Löwenrudel ist nicht von der Hand zu weisen. Die Heimatstadt hat sich auch verändert. Und nicht zum Guten. Tomas Piety muss feststellen, dass seine Stadt nun von anderen beherrscht wird, sein Name nicht mehr beachtet wird. Aber die Piety Brüder machen sich gleich bei Ankunft daran, ihr Territorium zurück zu erobern. Denn vor dem Krieg waren sie „Paten“ ihres Stadtteils, Kneipen, Prostitution, Glücksspiel, Schutzgelder, Drogen, das holen sie sich zurück. Aber sie müssen feststellen, sie kämpfen nicht nur gegen den rivalisierenden Mob aus dem Nachbarviertel, sondern eine viel größere Bedrohung macht sich in der Stadt breit. Tomas muss vorsichtig taktieren, denn die Gefahr eines neuen Krieges ist latent da. Doch er hat auch Hilfe, er kämpft nicht allein. Außer seinen Soldatenfreunden, die ihm treu ergeben sind, bekommt er Unterstützung von unerwarteter Seite. Doch diese Hilfe ist zweischneidig, mit weiteren Gefahren verbunden.
Die Spannung im Buch wird durch noch einen Faktor erhöht: die Magie. Noch tritt sie nicht konkret auf, agiert nur im Verborgenen, doch sie ist da. Manche fürchten sie, andere machen sie sich zu nutze. Interessant ist, dass in dieser Stadt Magie unterschiedlich behandelt wird. Es gibt die akzeptierte Magie und es gibt die böse Zauberei, die abgelehnt, geahndet und verfolgt wird. Wo ist da wohl der Unterschied?
Wie das Ganze abläuft, wird hier nicht verraten, wo bleibt denn sonst die Spannung? Der nüchterne und doch packende Schreibstil, die ruppigen Dialoge, die spannende Handlung treiben den Leser durch die Seiten. Doch Achtung: Dies ist nur der erste Teil, wir dürfen uns auf die Fortsetzungsromane freuen.