Einer wird hängen

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marapaya Avatar

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Kalt, düster und herzlos kommen die Einwohner des nordirischen Newry daher. Eine der ihren, Pearl Gamble, 19 Jahre alt, wurde nach einem Tanzabend im Winter 1961 erwürgt und erstochen, ohne Kleidung auf dem Feld gefunden. Einer wird dafür hängen. So will es die Stadt und die Krone. Robert McGladdery hat am Abend dreimal mit ihr getanzt, soll sie bedrängt und sich für den letzten gemeinsamen Tanz "It's now or never" gewünscht haben. Er soll es sein. Die Polizei findet ihre Indizien. Der ehrgeizige Richter findet die richtigen Worte für die Geschworenen. Die Jury fällt das erwartete Urteil. Robert wird gehängt.
McNamee liest uns die Totenmesse – für Opfer und Opfer. Pearl Gamble ist unbestritten tot, geraubtes unschuldiges Leben. Doch an Robert McGladderys vermeintlich bewiesener Schuld hängen die Zweifel wie dicke, klebrige Fliegen. So geht es Polizeiinspektor Eddie McCrink und dem Autor Eon McNamee. Der Leser hat daher kaum eine Wahl auf eine eigene Meinung, er wird hineingesogen in das düstere Geschehen einer merkwürdigen Kleinstadt, die aus gefallenen und gescheiterten Existenzen zu bestehen scheint. Gezeichnet vom Jahrzehnt der Entbehrungen nach dem Krieg und mit der Aussicht auf Arbeitslosigkeit und zähe, trunkene Leichtlebigkeit. Der Alltag in Newry ist trostlos, es weht beständig ein rauer Wind vom Meer. Die Idylle vom sommerlichen Badeort ist selbst im Hochsommer nur eine Farce.
McNamee versucht uns die einzelnen Figuren nahe zu bringen, einen Eindruck vom Leben einer Pearl Gamble, eines Robert McGladdery, seiner Mutter Agnes, seines Kumpels Will in Newry zu geben. Stumpfsinnige, zielgerichtete Polizeiarbeit stellt er dar. Ungehobelte, wenig zimperliche Uniformträger, nur durch diese von den anderen Gaunern im Ort zu unterscheiden. Einer muss hängen, so will es die Stadt, die Polizei und die Justiz. Wenn alle zusammenarbeiten, wartet am Ende nur der Strick. Polizeiinspektor McCrink kommt von außen, war lange bei der Polizei in London. Er ist unser Komplize in dem merkwürdigen, nordirischen Treiben. Geht den Spuren eines älteren, ähnlichen Mordes nach. Und wird schließlich rausgehalten, kaltgestellt. Allmählich greift die düstere Stimmung des Romans auf ihn und den Leser über. Am Verlauf der Handlung ist nicht zu rütteln, die früh entstandene Eigendynamik nicht aufzuhalten. Es bleibt nach der Beleuchtung aller Seiten nur der Zweifel an Roberts Schuld und die Gewissheit mit dem Roman beiden Opfern eine Totenmesse gehalten zu haben.