Porträt einer Generation zwischen Sehnsüchten und Resignation

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bea20 Avatar

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Marta und Dani, beide Anfang 30, sind seit zwei Jahren ein Paar und leben seit fast einem Jahr in einer gemeinsamen Wohnung in Barcelona. Die beiden lieben sich, verstehen sich gut, haben einen tollen Freundeskreis und erste berufliche Erfolge als freie Fotojournalistin und Drehbuchautor erreicht. Alles scheint stimmig, bis zu dem Abend, an dem Marta ihrem Freund mitteilt, schwanger zu sein und das Kind nicht bekommen zu wollen. Der Zeitpunkt sei nicht richtig, ihr Wunsch nach Unabhängigkeit, Freiheit und ihr schöpferischer Drang überwiegen. Sie träumt von einem nächsten beruflichen Karriereschritt in Berlin mit neuen aufregenden Impulsen. Dani, als Halbwaise vaterlos aufgewachsen, hat sich als Junge geschworen, ein eigenes Kind niemals im Stich zu lassen und kann sich die ungeplante Vaterrolle und den neuen Lebensabschnitt durchaus vorstellen. Gesprochen haben Marta und Dani noch nie über eine gemeinsame Zukunft, ihr bisheriger Lebensentwurf war recht oberflächlich und von Spaß und Individualität geprägt. Aber auch mit der neuen Situation und dem gravierenden Einschnitt ändert sich dieses Nichtsprechen über wesentliche Dinge nicht; individuelle Freiheit, Selbstverwirklichungsdrang und die Frage nach dem Sinn des Lebens sind groß. Hier fehlten mir in der Geschichte und der Paarbeziehung echte Tiefe.

Der Schreibstil der katalanischen Schriftstellerin Marta Orriols ist bestechend gut, ihr Erzählton fesselnd. Ich habe das 239 Seiten starke Buch nahezu in einem Rutsch gelesen und war beeindruckt von der Sprache (Hochachtung auch vor der Leistung der deutschen Übersetzerin Ursula Bachhausen) und den feinen und klugen Beobachtungen der Erzählerin, die souverän und anspruchsvoll das Gedanken- und Gefühlschaos aus verschiedenen Perspektiven abbildet.