Interessanter neuer Fantasy

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kleine hexe Avatar

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Zuerst hat mich das Titelbild fasziniert. Die tiefroten Augen eines Raubtiers vor schwarzen Hintergrund. Und beim genaueren Hinsehen entdeckte ich den Menschen davor. An dieser Stelle möchte ich ein ausdrückliches Lob an den Kuneli Verlag und an den Autor für die Wahl dieses Titelbildes aussprechen. Ein wahrhaft ansprechendes Motiv, dass gleichzeitig auch auf den Inhalt des Romans hinweist.

Es gibt Menschen und es gibt Xerks. Die sind verfeindet, töten sich, wo sie erwischt werden. Wobei die Menschen noch perfider sind: sie nehmen Xerks gefangen und foltern sie zu Tode. Bis das Unmögliche geschieht. Sain, ein junger Mensch und Krieger, findet im Wald einen schwer verwundeten Xerk und rettet ihm das Leben, indem er ihn von seinem Blut trinken lässt. Ja, ja, Blut ist ein ganz besonder Saft, das wissen wir seit Bram Stoker und Bella und Edward. Aber hier handelt es sich nicht um Vampire, sondern um eine neue Gattung der Fantasy-Welt. Xerks können sich in Raubtiere verwandeln und dann sind sie unbesiegbar. Deshalb verhindern die Menschen mit Hilfe eines besonderen Gifts diese Verwandlung. Außerdem können Xerks untereinander wortlos kommunizieren.
Zwischen Deejen, dem Xerk und Sain, dem Menschen entspannt sich eine Liebesbeziehung. ja sogar mehr noch, eine Farus-Symbiose. Eine solche Symbiose ist “eine sehr starke emotionale und körperliche Abhängigkeit” (s.88), die sehr selten auftritt. “Kaum jemand begegnet zufällig dem einen, speziellen Blutspartner. Wenn eine Farus-Symbiose einmal geschlossen wurde, ist sie lediglich durch den Tod aufzulösen.” (S. 88).
Von Menschen und Xerks angefeindet, müssen sich nun Deejen und Sain durchschlagen, wobei Sain wenigstens in Deejens Xerkgruppe langsam akzeptiert wird. Der tragische Ausgang der Geschichte lässt wohl ahnen, dass die Folgebücher über Beziehungen zwischen anderen Xerks und anderen Menschen erzählen werden.

Das Thema des Buches erschien mir sehr interessant und die Leseprobe vielversprechend. Leider hat Moutier nicht ganz gehalten, was anfangs versprochen wurde. Die Sexszenen waren keine richtigen Sexszenen, eher erinnerten sie an Jane Austen Romane. Steril in Sachen körperlicher Liebe.

Ein weiteres Manko: Wie Menschen in früheren Zeiten lebten, können wir uns gut vorstellen, aber die Xerks, die nun zum ersten Mal auf der literarischen Bühne auftreten, da hätte ich gerne mehr über sie erfahren. Familie? Kinder? Was denken sie, wie leben sie? Außer dass sie rohes Fleisch essen, wird so gut wie gar nichts über sie gesagt. Und dass sie ihren Namen nicht anderen offenbaren. Wie geschieht die Verwandlung von Menschen- zu Tiergestalt und umgekehrt? Von Stephenie Meyer wissen wir wenigstens, wie Werwölfe handeln und denken, fühlen und kämpfen. Lucien Moutier hätte da vielleicht etwas detaillierter vorgehen sollen.
Die ganze Geschichte kommt eindimensional rüber. Erzählt wird nur aus Perspektive Sains, der auch noch ein paar lächerliche Flüche von sich gibt, also nicht ganz glaubwürdig rüberkommt. Er ist ein Mensch und kennt seinesgleichen, trotzdem ist er verwundert, dass die Menschen seinem Geliebten die Fesseln mit dem Turangift durchtränkt haben. Ist Sain wirklich so naiv oder einfach nur dumm?

Was denkt Deejen? Wie und was fühlt er? Bestraft er den dunklen Xerk aus Eifersucht oder weil jener seine Autorität missachtet hat, indem er sich Sain näherte?

Weshalb erfahren wir nicht mehr über die Farus-Symbiose? Außer dass sie sehr wichtig ist in der Welt der Xerks. Aber wie genau gestaltet sie sich? Ist das so ähnlich wie beim Prägen der Werwölfe? (Danke Stephenie Meyer!)

Alles in allem hatte ich das Gefühl, dies war nur die Skizze eines Romans, sozusagen die Handübung. Ich habe mich sehr über das handsignierte Buchexemplar vom Kuneli-Verlag gefreut, hoffe aber sehr, dass die folgenden Romane besser ausgereift sind und nicht so viele großartige Entwicklungsmöglichkeiten ungenutzt verstreichen lassen.