Liebevoll, feministisch, ehrlich

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Die Geschichte, die Eva Lugbauer erzählt, handelt von Lore und wird getragen von einer besonderen Sprache, die sich zwischen poetisch und umgangssprachlichem Österreichisch bewegt. Lore ist 10, 11, fast 12 und erzählt, wie sie die Welt um sich herum wahrnimmt. Von der engen Welt der Familie, des Dorfes, in dem sie groß wird, weitet sie sich mit dem Älterwerden immer weiter aus. Lore möchte die Welt verstehen, was ihr aber als (kleines) Mädchen von den Erwachsenen - und ganz besonders den Männern - nicht zugestanden wird: „Lore ist, als hätte sich eine Glaswand quer über die Wiese geschoben. Zwischen ihr und dem Großvater, ihr und dem Bruder, ihr und den Männern ist diese unsichtbare Wand…“ Lugbauer verweist damit auf Marlen Haushofers „Die Wand“ und hatte mich mit dieser Referenz schon zu Beginn für diese Geschichte gewonnen. Es geht um Männer bzw. vor allem um Frauen und was sie von Männern unterscheidet - aus Sicht der Menschen um Lore herum, den Großvater, ihre älteren Brüder, die Dorfgemeinschaft, aber auch um die christlich geprägte ländliche Gemeinschaft mit ihren Legenden und Mythen. Lugbauer erzählt auf literarisch leichte Weise, wie sich Gender-Sozialisation in unserer Gesellschaft vollzieht, wir wir schon als kleine Mädchen auf die binäre Geschlechterwelt vorbereitet werden, Angst haben müssen vor dem „bösen Mann“, bestimmte Dinge nicht können oder dürfen. Die Figurenzeichnung, insbesondere von Lore und ihren Großeltern, ist liebevoll und gleichermaßen ehrlich. Ein gelungenes Buch, dem ich viele Leser*innen wünsche!