Summer in the city

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Berlin, Sommer 1961 – während das restliche Deutschland bereits zu begreifen beginnt, dass durch das Land eine sich immer stärker manifestierende Grenze verläuft, gibt man sich in der geteilten Stadt der Illusion hin, alles würde immer so weiter laufen. Alliierte Uniformierte, in erster Linie Russen wie Amerikaner, bewegen sich frei in der Stadt und auch die Berliner sind in erster Linie Berliner bevor sie sich mehr oder weniger bereitwillig in DDR oder BRD-Bürger einteilen lassen. Bernhard und Julius stellen sich diese Frage eigentlich erst gar nicht. Sie leben im Osten der Stadt, Bernhard studiert Biologie an der Humboldt-Universität und Julius verscherbelt die neuesten Jazz-Platten an Musik-Liebhaber. Ihre besten Freunde sind der Steinmetz Georg und der Ami Jack, beide leben im Westteil der Stadt. Zwar gibt es Grenzposten in Berlin, doch wie will man eine Stadt unter Kontrolle halten, in der der Bürgersteig zur französischen Seite und die sich anschließenden Wohnhäuser zur russischen Seite gehören. Der Ost- wie Westberliner bewegte sich mehr oder weniger frei in seiner Stadt und keiner glaubte daran, dass sich dieser Zustand ändern könnte. Zwar knirschte die DDR-Obrigkeit mit den Zähnen über die Massenabwanderung der jungen, gut ausgebildeten Bevölkerung in den Westen, doch die Russen würden den jungen Staat nicht soweit unterstützen, möglicherweise sogar einen neuen Krieg heraufbeschwören, indem sie zusahen, wie die DDR eine Mauer quer durch Berlin baute. Aber ich greife vor... – während Julius und seine neue Bekanntschaft Barbara seinen Kumpel Jack aus einer äußerst misslichen Zwangslage befreien, werden Bernhard und Georg Zeuge einer unangenehmen wie tödlichen Situation zwischen Russen und Amis im brandenburgischen Wald. Unter Schock radeln sie dem Haus von Bernhards Vater entgegen und müssen dort eine grausige Entdeckung machen. Julius und Bernhards Vater baumelt an einem Strick an der Wohnzimmerdecke. Doch die Indizien unterstützen diesen ersten Eindruck des Selbstmords nicht und das großzügige Vorgehen der Volkspolizei wie Staatssicherheit gegenüber dem illegal ins Brandenburgische eingereisten Georg untermauert die Theorie von Bernhard gewissermaßen: Der Vater ist umgebracht worden und die Stasi hat dabei die Finger im Spiel. Nun beginnt ein Katz und Maus-Spiel, bei dem sogar hochrangige Offiziere beider Seiten eine Rolle spielen und in Berlin das Unglaubliche passiert – eine Mauer wird durch die gesamte Stadt gezogen und scheint Freunde wie Familie auf immer voneinander zu trennen.
Michael Römling hat das Bruderpaar Bernhard und Julius zu den Protagonisten seiner Berlin-Story auserkoren. Anschaulich, spannend und emotional schildert er aus ihrer Sicht und die ihrer Freunde wie Bekannten die letzten Wochen einer auf dem Papier geteilten Stadt bevor diese Teilung unglaubliche, nie gekannte Wirklichkeit wurde und die Situation Deutschlands bis in unsere heutige Zeit nachhaltig beeinflussen sollte. Nicht ganz gelingt ihm der authentische Tonfall des Berlins der sechziger Jahre, zu bemüht erscheint an einigen Stellen die Verwendung des realen Zeitgeschehens um Jazz, Nachtleben und Sonnenbaden am Wannsee. Dennoch stellt sich gegen Ende des Romans eine leise Gänsehaut auf: Versuchte Flucht in den Westen durch die Berliner Kanalisation, Schmuggeln von Personen im Kofferraum, russische Obere, die in den Westen überlaufen und dabei aus den eigenen Reihen bespitzelt werden, eine Liebe die im Osten begann und im Westen auf ein Happyend wartet und schließlich amerikanisches und russisches Kräftemessen am Checkpoint Charlie vor den Augen der ganzen Welt. Ein interessantes Buch über einen wichtigen Teil der deutschen Geschichte, welches historisches Wissen in einen romantisch angehauchten Spionagethriller verpackt und auf weiten Strecken damit überzeugen wie unterhalten kann.