Wenn das Erwachsenwerden schwer fällt

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gabriele 60 Avatar

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Siegfried heißt der Stiefvater der namenlosen Ich-Erzählerin. Von ihm erhofft sie sich Hilfe in ihrer ausweglos erscheinenden Situation: als Schriftstellerin hat sie den Vorschuss auf ihr nächstes Buch bereits verbraucht und immer noch keine Idee, worüber sie schreiben soll. Auch Alex, ihr Partner und Vater ihrer Tochter verdient so gut wie nichts. Nun hatte Siegfried einen Herzinfarkt und meldet sich nicht, was sie vollends durcheinander bringt. Das verursacht in ihrem Kopf ein Sirenengeheul, weshalb sie beschließt, in die Psychiatrie zu gehen.

In Rückblicken erzählt sie von Hilde, Siegfrieds Mutter, wo sie als Kind einen längeren Besuch absolvierte. Auch über ihre Mutter resümiert sie und die inzwischen geschiedene Ehe zwischen ihrer Mutter und dem Stiefvater.

Warum das Buch Siegfried heißt, hat sich mir nicht erschlossen. Vom Stiefvater wird zwar erzählt, doch das Chaos in ihrer Beziehung zu Alex und die Charakterisierung von Hilde nimmt einen weitaus größeren Rahmen ein.


Antonia Baum, 1984 in Borken geboren, ist Journalistin, Schriftstellerin und Mutter. Sie befindet sich also in einer ähnlichen Situation wie ihre Protagonistin. Man glaubt ihr die beschriebene Überforderung, wenn sich das Geschirr in der Küche stapelt, sie die Gedanken an all das, was zu erledigen ist, niederdrücken. Trotzdem hat mir ihr neuester Roman nicht gefallen.


So, wie sie erzählt, hatte ich den Eindruck, dass ihre Protagonistin die Grausamkeiten aus ihrer Kindheit nie als solche wahrgenommen hat. Auch als Erwachsene reflektiert sie nicht, lässt sich ausschließlich von ihren Gefühlen leiten, anstatt Lehren daraus zu ziehen und sich anders zu verhalten, als seinerzeit ihre Mutter, die aussah, „wie die Frauen aus den Zeitschriften, die sie las, und deswegen viel im Badezimmer war.“ Ihre eigene Partnerschaft hat in meinen Augen etwas von Hörigkeit. Alex, dessen Herkunftsfamilie in einem völlig anderen Milieu lebt, ist davon ebenso geprägt, wie sie von Siegfried, der immer etepetete aussah.

Nachdem ich das Buch, dessen Chaos mich nicht erreichte, schließen konnte, war ich regelrecht erleichtert. Zwar ließ es sich teilweise sehr flüssig lesen, doch muss ich feststellen, dass das Thema „überforderte Frau und verkorkste Kindheit“, das zur Zeit sehr häufig in der Literatur zu finden ist, wenig anspricht.