Die "lahmen Gäule" wachsen über sich selbst hinaus - sehr spannender Geheimdienstroman

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takabayashi Avatar

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Der erste Roman über Jackson Lamb und seine Mannschaft lässt sich etwas schleppend an, da zuerst einmal alle Mitwirkenden recht ausführlich eingeführt werden, nimmt dann aber ca. nach einem Drittel mächtig Fahrt auf: Die schmutzigen Machenschaften beim britischen Geheimdienst MI5 sind atemberaubend und spannend. Die meisten MI5-Mitarbeiter handeln nach den sogenannten "Londoner Regeln", die besagen, dass man im Ernstfall alle hehren Prinzipien sausen lässt und sicherstellt, die eigene Haut zu retten und die eigene Karriere voranzutreiben.
Die Truppe um Jackson Lamb in Slough House sind die Parias, die Gescheiterten, die irgendwann einmal einen Fehler gemacht haben (oder auch nicht) und als Sündenböcke geopfert wurden. Sie werden nicht entlassen, aber in der leitenden Etage hofft man, dass sie von der langweiligen Bürotätigkeit, die man sie machen lässt, so genervt sind, dass sie irgendwann von selber kündigen.
Aber irgendwie geraten sie in einen spektakulären Fall, bei dem ein junger, gut integrierter pakistanischer Mann von ein paar Neo-Nazis entführt wurde und diese damit drohen, ihn vor laufender Kamera zu köpfen.
Die Slow Horses (lahmen Gäule) der Slough House-Truppe sind größtenteils so verbittert über ihre Degradierung und so frustriert von ihrem Los, dass sie alle mehr oder weniger dahin vegetieren und untereinander kaum kommunizieren. Aber als sie bei diesem Fall nun plötzlich doch mal wieder als Field Agents draußen unterwegs sind, geht mit allen eine wundersame Veränderung vor sich: sie leben wieder auf, erinnern sich ihrer Fähigkeiten, stellen fest, dass sie sich aufeinander verlassen können und wachsen unter der Bedrohung von außen zu einem richtigen Team zusammen. Denn natürlich will man ihnen wieder die Schuld an dem ganzen Schlamassel, zu dem sich dieser Fall auswächst, in die Schuhe schieben.
Nachdem ich anfangs ein wenig schwer in die Lektüre hineinkam, konnte ich das Buch nachher gar nicht mehr aus der Hand legen. Sehr spannend, sehr originell und mit einer gehörigen Portion Humor. Und ziemlich anders als die üblichen Geheimdienstthriller, die man sonst so kennt. Die leicht skurrilen Protagonisten, die anfangs eher unsympathisch wirkten, sind mir gegen Ende richtig ans Herz gewachsen. Ich freue mich schon auf die nächsten Bände (auf Englisch gibt es insgesamt schon 5), die möglicherweise noch besser sind, da der Autor sich die Einführungsphase sparen kann.
Wie ich den anderen Rezensionen entnehme, offensichtlich nicht jedermanns Sache, aber von mir gibt es die volle Punktzahl!