Ein großes Verwirrspiel

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buecherfan.wit Avatar

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“Slow Horses“, Mick Herrons im Original bereits 2010 erschienenen Roman ist der Auftakt einer Serie um den in Ungnade gefallenen ehemaligen Spion Jackson Lamb. Er ist der Chef einer ebenfalls ausrangierten Gruppe von Agenten, die entweder einen Auftrag vermasselt haben oder ehrgeizigen Kollegen bei ihren Karriereplänen im Weg standen. Sie arbeiten im Slough House, einem heruntergekommenen Gebäude, wobei „arbeiten“ nicht ganz der passende Begriff ist. Sie sind nicht mehr im aktiven Dienst, sondern müssen untergeordnete Tätigkeiten ausführen, wie Müll sichten oder Telefonate transkribieren. Die Behörde will Kündigungen vermeiden, die Ex-Agenten stattdessen dazu bringen, dass sie irgendwann frustriert von selbst gehen. Es gibt keine Freundschaften im Slough House, und die von dem übergewichtigen Widerling Jackson Lamb geschaffene Atmosphäre trägt nicht dazu bei, dass sich dort irgendjemand wohlfühlt. Während der junge River Cartwright einen zwielichtigen Journalisten observiert, wird ein junger Engländer mit pakistanischem Hintergrund von einer rechtsnationalen Splittergruppe entführt und soll nach Ablauf von 48 Stunden vor laufender Kamera enthauptet werden. Die Aktion ist als Racheakt für die Bombenanschläge in der Londoner U-Bahn im Juli 2005 gedacht. Werden Polizei und Geheimdienst den jungen Mann rechtzeitig finden?
“Slow Horses“ ist ein raffinierter, nicht leicht zu lesender Roman mit einer Vielzahl von Personen und Schauplätzen und ständig wechselnder Erzählperspektive. Hier gibt es kein Schwarz und Weiß, nur eine Vielzahl von Intrigen. Es ist nicht einmal klar, wer die Guten und wer die Bösen sind. In der Geheimdienstzentrale des M15 - Regent´s Park - verfolgt jeder egoistisch die eigenen Ziele, hat stets den eigenen Aufstieg auf der Karriereleiter im Blick. Geht ein Einsatz schief, wird grundsätzlich ein anderer zum Sündenbock gemacht.Die ausgemusterten Agenten im Slough House sehen diesen Fall als Chance, ins Leben zurückzukehren und endlich wieder das zu tun, wofür sie ausgebildet sind. Jackson Lamb und seine Leute verändern sich unter dem Druck der Ereignisse und handeln solidarisch..
Es ist schade, dass unter der geschilderten Komplexität streckenweise die Spannung leidet. "Slow Horses" ist dennoch ein interessanter, lesenswerter Roman. Spionageromane können zweifellos heutzutage nicht mehr so aussehen wie bei Graham Greene und John le Carré.