Kunst mit krimineller Würze

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Der Roman beginnt mit einem Prolog ein, indem ein Maler eingeführt wird, dessen Seelenzustand Dunkles birgt. Unterstrichen wird das durch detailgetreue Schilderungen seines Malens im Kontrast zur Musik, die er dazu hört, die „von einem leisen, traurigen Celloton zu einem unheilschwangeren Brausen anschwoll“ und Düsteres erahnen lässt.

Über mehrere Seiten hinweg stellt die Autorin im Folgenden eine junge Frau vor, Vicky, die eine Ausbildung in einem Reisebüro macht. Vicky erscheint einem als junges, unkompliziertes Mädchen, tierlieb, engagiert sich ehrenamtlich für traumatisierte Kinder; sozusagen die Tochter, die sich Eltern wünschten. Allerdings wird an mehreren Stellen klar, dass Vicky eine bewegte Vergangenheit hinter sich hat, sie hat auf der Straße gelebt, sich mit Betteln und kleineren Diebstählen durchgeschlagen. Durch einen Zufall hat sie es geschafft, ihrem Leben wieder eine positive Richtung zu geben. Ihr großes Hobby ist das Fotografieren in alten, verlassenen Industrieanlagen; diese Bilder veröffentlicht sie auf einer Plattform im Internet.

Nach der Arbeit im Reisebüro am 7. Juni, einem schönen Frühsommertag radelt Vicky zu einer verlassenen Brauerei und eine Fotoserie zu vervollständigen, die sie ein paar Tage zuvor begonnen hatte. Dabei macht sie eine unheimliche Entdeckung, jemand hat eine weibliche Leiche in einem Sudkessel deponiert.

Im verbleibenden Teil der Leseprobe wird Kommissar Dühnfort und sein Team eingeführt, die an die Fundstelle der Leiche in der Brauerei gerufen wurden. Sie nehmen ihre Arbeit auf, wie es in Krimis so üblich ist.

An zwei Stellen wird angedeutet, dass Kommissar Dühnfort vor wenigen Monaten fast ertrunken wäre, er ist dabei von seiner Assistentin Gina gerettet worden, die er beinahe mit in den Tod gezogen hätte, wäre da nicht sein Segelfreund Schorsch gewesen, die beide gerettet hat.

Die Beziehung zwischen Dühnfort und Gina wird sich möglicherweise noch interessant entwickeln, es knistert bereits etwas von seiner Seite her.  

Kriminalkommissar Dühnfort hat mir in dieser Leseprobe etwas zu wenig Ecken und Kanten. Groß, gut aussehend, gut gekleidet, kann kochen und zeigt dabei sogar Geschmack (Gruyère statt Plastikkäse) und hat ein Boot am Starnberger See. Da das der erste Roman von Inge Löhnig ist, den ich lese, bin ich etwas unschlüssig, ob mir Dühnfort nicht etwas zu klischeehaft daherkommt, oder ob das durch die Auswahl der Leseprobe nur so erscheint.  

Ausgesprochen gut gelungen ist für mich der Prolog, der zusammen mit der Schilderung der Leiche die Neugierde weckt, was es mit dem Maler und dem Titel „Unselig schön“ auf sich hat. Es nimmt mich auch wunder, ob Vicky nur eine Rolle spielt als Person, die die Leiche findet, dafür wäre sie mir fast etwas zu ausführlich vorgestellt worden. Sie scheint mir eine interessante Person und ich würde gerne noch mehr über sie lesen.  

Sprachlich fand ich die Leseprobe sehr angenehm zu lesen. Eine gute Mischung aus kurzen, prägnanten Hauptsätzen und längeren und trotzdem noch flüssig zu lesenden Satzgefügen.  Die Kunst spielt sowohl im Prolog als Malerei, als auch im ersten Kapitel als Photografie eine große Rolle. Die Autorin beschreibt sowohl Farb- als auch Lichteffekte ausgesprochen plastisch. Ebenso kann man sich die modebewusste Chefin Carla in ihrer feinen Garderobe neben der Angestellten Vicky in weitem Herrenhemd, Shorts und Gummistiefeln bildlich vorstellen.

Insgesamt fand ich die Leseprobe sehr gut gewählt, um Lust auf mehr zu machen. Etwas verwirrend fand ich die Andeutungen, um den Unfall von Dühnfort. Es wird nicht klar, ob das überhaupt etwas mit dem Plot zu tun hat. Aber das lässt sich vielleicht aufklären, wenn ich mehr von Kommissar Dühnfort gelesen habe.