Für Freunde von Griechenland oder Cohen oder den 60er Jahren

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Erica besucht nach fast 60 Jahren die Insel Hydra, es ist kurz nach Leonard Cohens Tod. Sie streift durch die Gassen und jedes Haus, das sie sieht, jeder Platz, über den sie blickt, weckt Erinnerungen in ihr an den Sommer 1960.
Damals verließ sie mit 18 Jahren London und ihren lieblosen Vater und reiste mit ihrer großen Liebe Jimmy nach Hydra, um eine Freundin der Mutter zu besuchen. Charmian Clift, die vor einigen Jahren in der Nachbarschaft wohnte, lebt hier mit ihrer Familie und ist der Mittelpunkt einer Gruppe von Künstlern. Ihr Mann George Johnston ist ein anerkannter Schriftsteller, aber auch Charmian schreibt. Zu der Gruppe gehören Axel Jensen und seine Frau Marianne Ihlen und bald gesellt sich auch der junge Leonard Cohen dazu.
Sie genießen den Sommer und das Leben und suchen die Freiheit in neuen Lebensformen. Am Ende des Sommers hat sich vieles geändert, Träume sind geplatzt und neue entstanden.


KOMMENTAR
Seit den frühen 70er Jahren bin ich Cohen-Fan. Da ich nicht nur ein Vielleser, sondern auch ein Dauernd-Musik-Hörer bin, haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Da ist dann ein Buch, in dem Cohen zu den Hauptfiguren gehört, natürlich ein Muss.
Das Buch ist eine Mischung aus Fiktion und Realität, viele der Künstler sind reale Personen, manche Abläufe und Situationen hat es tatsächlich gegeben.
In den frühen 60er Jahren war Hydra ein beliebter Treffpunkt von Künstlern und solchen die es werden wollten.
Sie schreiben und malen, sie lieben und betrügen, sie trinken, rauchen und experimentieren mit Drogen, sie diskutieren und träumen.
Erica, ihre Freund Jimmy, ihr Bruder Bobby und seine Freundin sind nach kurzer Zeit fester Bestandteil der Gruppe. Für Erica, deren Mutter kurz vorher gestorben ist, ist Charmian Vorbild und Mutterersatz zugleich. Aber die Schattenseiten dieses auf den ersten Blick so freien und gelungenen Lebens zeigen sich bald.

Sehen wir von den Ehekrisen und Eifersuchtsdramen ab, passiert nicht viel im Buch. Manche Tage verlaufen träge, andere kreativ und hektisch, man schweigt, man redet, man kocht und isst, man singt und weint und immer scheint die Sonne und es ist heiß. Manche Gespräche und Situationen sind banal und belanglos, aber so ist halt das Leben. Aus meiner Sicht hätte man den mittleren Teil, der zu viele Längen enthält, etwas straffen können, 100 Seiten weniger und es wäre besser gewesen. So bin ich in diesem Teil manchmal etwas "abgedriftet" und habe teilweise den Überblick über die Personen verloren.

Bildgewaltig gelingt es der Autorin, den Sommer in Griechenland zu beschreiben, man spürt die Sonne auf der Haut und die Brise des Meeres, man riecht den Duft der Blumen, man schmeckt den Wein und Ouzo. Nicht nur Farben, Gerüche und Landschaften beschreibt sie hervorragend, auch die Einwohner der Insel in ihrer traditionellen Lebensart.

Zum Ende nimmt das Buch wieder mehr Tempo auf. Man erfährt, wie die ältere Erica im Rückblick über vieles denkt und wie das Leben für die anderen und ihre Kinder weiter verlief. Dabei gibt es dann auch sehr bittere Erkenntnisse. In der Erzählung ist keine direkte Kritik an der Lebensform, diese entsteht erst durch die letzten Seiten.

Trotz der Längen im Mittelteil habe ich das Buch gern gelesen und mich einfangen lassen vom Zauber von Griechenland, von Sonne, Künstlerleben und Freiheitssuche.
Ich bedanke mich beim Verlag und Vorablesen für das Leseexemplar.