Trügerische Leichtigkeit des Seins

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merkurina Avatar

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Ich habe für die Lektüre recht lange gebraucht, denn Sommer der Träumer ist kein Buch, das sich durch Hochspannung auszeichnet. D.h., einmal zur Seite gelegt, hat es mich nicht gequält, wann ich endlich erfahre, wie es weiter geht...
Viel mehr kann man ohne ganz rasende Neugier warten, wann sich ein nächstes freies Stündlein findet, in dem man dann ganz gemütlich in die Künstlerkolonie im griechischen Sonnenlicht entschwinden kann.
Der Schreibstil ist etwas trügerisch leichtfüßig und gelassen vor dem Hintergrund des irgendwie doch zerissenen Seins, das hier geschildert wird. Künstler*innen, die Licht und Wärme suchen und dabei von Wettbewerb und Geldnot nicht verschont bleiben, Sehnsucht nach Freiheit und Begehren, aber Geschlechterverhältnisse, die nicht gerade gleichberechtigt sind. Vertrauensbrüche und Gewaltausbrüche. Aber wie hinterm Flirren der gleißenden Inselsonne alles ein wenig schemenhaft aussieht und die Wahrnehmung träge wird, so wirkt das auch hier. Geschrieben in schöner Sprache.
Man merkt, dass Polly Samson sich eine möglichst getreue Einfühlung in die Realität dieser kleinen Gemeinschaft auf Hydra rund um Leonhard Cohen und Marianne Ilten vorgenommen hat, vermutlich anhand von Foto- und Recherchematerial, das existiert. Wie gut die Einfühlung gelungen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Der offensichtliche Versuch, möglichst nah am Geschehen zu bleiben und möglichst wenig zu verfälschen sorgt indes wohl für die etwas gleichförmige, unspannende Erzählweise. Eingebettet in die Sommerwelt unter dem Inselhimmel führt auch ein Ehebruch, von dem bereits alle wissen außer der Betroffenen, nicht in einen wirklichen Spannungsbogen. Darüber legt sich die erstaunliche Bodenständigkeit des Hippiealltags, die dann auch aus Kochen und Weintrinken, aus Hoffen und Staunen und neue Partner und Lösungen finden besteht.
Eingebettet hat Polly Samson die historische Vorlage in eine Rahmenhandlung, in der die mutmaßlich fiktive Erica nach Hydra aufbricht und sozusagen aus ihrer Perspektive erzählt wird, was hier dokumentiert werden soll. Die Anfangspassage rund um die Protagonistin ist als reine Fiktion viel schmissiger und spannender geschrieben und man erwartet ein anderes Buch. Das ich vielleicht lieber gelesen hätte. Dennoch ist, wenn Stimmung und Interessen gerade passen, auch Sommer der Träumer kein schlechtes Buch.