Gibt es für Mord eine Entschuldigung?

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annajo Avatar

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Spontan denkt man natürlich, dass die Antwort sofort klar ist. Doch Zoran Drvenkar führt dem Leser vor Augen, dass diese Entscheidung gar nicht so einfach ist ...

Die vier Freunde Kris, Wolf, Frauke und Tamara gründen aus der Not heraus eine Agentur mit einer völlig neuartigen Idee. Im Rahmen dieser Agentur "Sorry" übernehmen sie für kommerzielle Auftraggeber das Entschuldigen: von ungerechtfertigten Kündigungen, falschen Verdächtigungen, das Abservieren einer Geliebten. Und erleichtern somit das Gewissen vieler Kunden, die es nicht selbst über sich bringen. Doch dann hört Lars Meybach von der Agentur und mit einem Schlag ändert sich das Leben der vier Freunde. Denn Meybach will, dass sie sich bei einer Frau entschuldigen, die sie gegen eine Wand genagelt in einer Kreuzberger Wohnung finden. Und Meybach hat genau das richtige Druckmittel, um sich der Ausführung seines Auftrags zu versichern.

Mein spontaner Gedanke beim Zuklappen des Buches war, dass sich Zoran Drvenkar durchaus mit Paul Cleave messen kann, vor allem, was die Brutalität seines Thrillers betrifft. Aber auch die Geschichte teilweise aus Sicht des Mörders zu erzählen, hat mich sehr an Cleaves Stil erinnert - was ich keinesfalls negativ meine. Doch "Sorry" ist besser konstruiert und lässt schließlich wenige, wenn nicht sogar gar keine, Dinge ungeklärt oder Fäden unverknüpft und doch weiß man bis fast zum Ende nicht, wie alles zusammengehört.
Drvenkars Buch ist ein Ich-Erzähler allem übergeordnet, doch die Kapitel aus Sicht des Mörders werden aus der "Du"-Perspektive erzählt und Kris, Wolf, Tamara und Frauke kommen in der dritten Person zu Wort, genauso wie "der Mann, der nicht da war". Aber nicht nur die Perspektiven, sondern auch die Zeitebenen wechseln ständig. Dies kann in den ersten Kapiteln oft zu Verwirrung führen, doch hat man bald Anker in der Handlung, von denen man als Leser aus wieder weiß, wo man sich in der Geschichte gerade befindet. Und auch die Anzahl an Personen wirkt manchmal unüberschaubar. Doch am Ende passt alles perfekt zusammen. Ich fand es erstaunlich, dass dem Autor das gelungen ist.
Die Geschichte an sich ist auch sehr spannend, wenn für meinen Geschmack zum Ende hin jedoch teilweise recht brutal und auch die Vorgeschichte des Mordes ist wirklich nichts für Zartbesaitete. Das Buch ist optisch auch entsprechend aufgemacht: dunkles Cover mit einem "verschwommenen" Titel und einer roten Banderole, die vor dem Lesen warnt: "Ein Thriller wie ein böser Traum". Und genau das ist es. Endlich mal wieder ein Thriller, der die Versprechungen nicht enttäuscht, den Leser nicht zur Ruhe kommen lässt und ihn dazu bringt, öfter einmal paranoid über die Schulter zu schauen.