Sorry- schockierend, berührend und unerbittlich präzise

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
scylla Avatar

Von

 

Dieser Roman ist ungewöhnlich, in vielerlei Hinsicht. Schon im rasanten Einstieg wird man als Leser mit seiner eigenen Rolle bekannt gemacht, der Rolle eines brutalen Mörders. Durch die direkte Anrede mit „Du“ ist die eigene Identifikation mit dem Mörder perfekt, eine Identifikation, die schon mal ein mulmiges Gefühl erzeugt. Zum Glück nimmt diese Identifikation im Laufe der Handlung ab, wenn man mehr über die Identität des Mörders erfährt. Allerdings sind auch andere Personen in der Handlung sehr rätselhaft gehalten.

Da so oft zwischen Personen und Perspektiven (Du, Ich, Er, Sie) gewechselt wird, kann man leicht den Überblick verlieren und manche Abschnitte bleiben total undurchsichtig, da man sie nicht in das Gesamtgeschehen einordnen kann. Die ganze Handlung ist sehr zerstückelt, was durch den ständigen Wechsel der Zeitformen noch verstärkt wird. Alles, was im Moment passiert, ist in Präsens gehalten, was allgemein bei Romanen eher ungewöhnlich ist. Es wird der Eindruck vermittelt, dass man sich direkt im Geschehen befindet. Dann wird allerdings auch schnell zwischen Präteritum und Präsens hin und her gewechselt und verschiedene Zeitebenen miteinander vermischt, sodass die Handlung teilweise sehr verwirrend ist. Dadurch ist im Buch kaum ein roter Faden vorhanden, was das Geschehen unvorhersehbar, aber auch spannend macht.

So gelingt es dem Autor immer wieder fast aus heiterem Himmel dermaßen zu schocken, dass einem die Luft wegbleibt und man ungläubig auf das Buch starrt. Bei solch realistischen Mordszenen hat man einfach keine andere Wahl. Alles in dem Buch ist wirklich schrecklich greifbar. Nach und nach entpuppt sich die anfangs noch recht glatte Handlung als wahrer Alptraum und enthüllt Ungeheuerliches. Es gibt keine Opfer und keine Täter mehr. Es gibt nur noch Opfer, die zu Tätern werden, um die Täter zu Opfern zu machen. Dieses Buch löst Emotionen aus und ist definitiv nichts für schwache Nerven.

 

Obwohl ich das Buch durch seine Neuheit und Einzigartigkeit als durchaus gelungen betrachte, habe ich doch zwei Kritikpunkte:

Erstens: Ich konnte mich nie richtig mit den Hauptpersonen, den vier Freunden Kris, Tamara, Frauke und Wolf anfreunden. Für mich waren sie einfach viel zu unsympathisch gestaltet. Besonders ihr niederes Sprachniveau zu Beginn, dass ja schon fast an Gossensprache erinnert, ging mir ziemlich auf die Nerven.

Zweitens: Das Ende ist etwas zu offen für meinen Geschmack. Ich fühlte mich vom Autor hängengelassen, vieles war noch nicht geklärt und ich hätte mir einen krönenden Abschluss gewünscht. So kam ich auf der letzen Seite an und dachte: Was, das war es jetzt schon?