Vergiß Religion - wir sind die neue Vergebung

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"Vergebung" ist ein zentraler Begriff der christlichen Lehre und zählt zu den menschlichen Tugenden. Was aber, wenn Menschen weder Interesse am Christentum und noch an echter Vergebung haben?

Der Autor Zoran Drvenkar hat mit seinem Thriller 'Sorry' eine neue Art der Vergebung inszeniert:

Vier junge Berliner gründen mangels alternativer Job-Perspektiven eine Agentur, die sich im Namen anderer Menschen entschuldigt und der sie dem Namen 'Sorry' geben. Sie bedienen damit eine Nische im Leben moderner Manager, die Entlassungen zu verschulden haben, und umtriebiger Liebhaber, die Frauen enttäuscht zurück lassen. Die Mundpropaganda wird aktiv, die Agentur ist bereits wenige Wochen nach Gründung stadtbekannt und extrem gefragt.

Einer ihrer Aufträge entpuppt sich jedoch von jetzt auf gleich als wahres Horror-Szenario: Sie sollen sich bei einer brutal ermordeten Frau für die erlittenen Todesqualen entschuldigen. Der Mörder bedroht das Quartett auf beruflicher wie privater Ebene und verlangt unnachgiebig die Beseitigung der Leiche.

Mit diesem Wechsel der beruflichen Erfolgsgeschichte hin zur persönlichen Angstbewältigung findet sich der Leser in einem bis zum Zerreißen gedehnten Spannungsbogen wieder, der ihn über den gesammten Thriller begleiten wird. Es ist schlichtweg nicht möglich, die Entwicklungen um diese jungen Menschen oder gar den Mörder zu erahnen. Das Gedankenspiel und die Hintergründe des Mörders sind scheinbar zu komplex und schwer durchschaubar.

Der Schreibstil Drvenkars ist zweifelsohne gewöhnungsbedürftig - ich habe keinen vergleichbaren Schreibstil je gesehen: Der Wechsel zwischen Beschreibungen und Dialogen ist fließend bis verwischend, es verlangt hohe Konzentration den erregten und angsterfüllten Diskussionen der vier Protagonisten zu folgen. Zusätzlich wird dem Leser hohe Konzentration abverlangt, da räumliche und zeitliche Sprünge eher die Regel denn die Ausnahme sind. Es gibt ein 'Davor' und 'Danach', einzelne Kapitel aus den Perspektiven der Agentur-Inhaber und des Mörders. Definitiv keine Lektüre für 'Nebenbei', aber eine Pflichtlektüre für Thriller-Fans! Großes Lob - es ist eine Kunst, aus der Masse der Thriller- und Krimi-Autoren heraus zu treten - Drvenkar hat dies optimal gemeistert!