Das Leben ist, wie es ist.

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
wortknaeuel Avatar

Von

_Ich spar mir hier eine Inhalts-Zusammenfassung und komme direkt zu meiner Kritik:_

 

Nicht ohne Grund beginnt das Buch mit der Warnung „Vorsicht: Dies ist keine wahre Geschichte“. Die Lebenssplitter, aus denen das Kaleidoskop amerikanischer Einzelschicksale in Form dieses Buches besteht, wirken nur allzu realistisch. Der Leser schwebt über der Stadt, zoomt sich mit rasanter Geschwindigkeit hinein, wirft durch eine Lupe einen Blick auf ein Menschenleben, um kurz darauf wieder engelsgleich aufzusteigen, Abstand zu nehmen und sich auf ein anderes Schicksal in einem anderen Stadtteil zu konzentrieren. Die vier parallel laufenden Erzählstränge um Dylan und Maddie, Old Man Joe, Amberton und Esperanza halten das Buch zusammen und machen es erst richtig spannend, denn ihre Kapitel enden mit leichten Cliffhangern, man möchte wissen, wie es mit ihnen weiter geht und muss immer weiter lesen. Dadurch liest sich das Buch sehr flüssig und schnell. Aber auch die Kapitel dazwischen, mit den kurzen Einzelschicksalen und Fakten, sind interessant und treiben kurzzeitig den Blutdruck hoch, schockieren oder rühren das Herz.

Die Sprache hat Tempo, das durch kurze Sätze und kurze Kapitel beschleunigt wird. Wiederholungen einzelner Satzfragmente oder Wörter, oft dreimal hintereinander, verstärken die Intensität des Geschriebenen und bilden einen Sprachrhythmus. Da ist kein Platz für Anführungszeichen in Dialogen, sie sind auch nicht nötig, man kann die Sprechenden gut auseinander halten. Der Flattersatz ist ungewöhnlich für einen Roman, aber passt zu dem schnellen Tempo, und erleichtert den Flug des Auges über die Zeilen. 

Wie auf dem Buchumschlag geschrieben, ist die eigentliche Hauptfigur im Buch Los Angeles. James Frey beschreibt die Stadt bis ins Detail, jeden Stadtteil, jeden Winkel, jede Straße. Obwohl ich noch nie in L.A. war, habe ich jetzt ein ziemlich lebendiges Bild dieser Stadt, weiß nicht nur über die durchschnittliche Anzahl der Schlaf- und Badezimmer in den Luxusvillen Bescheid, sondern auch über den Inhalt so mancher Abfalltonne in den Hintergassen. Es ist, als lebe diese Stadt, hat ihre eigene Persönlichkeit, Entwicklungsgeschichte, ihre Launen, ihre guten und schlechten Seiten. Sie wird absolut personifiziert, es ist als ob sie den Menschen etwas zu sagen hätte.

 

**Fazit:** Das Buch ist durch und durch stimmig. Die collageartige Zusammensetzung aus fiktiven Geschichten, realistisch anmutenden Einzelschicksalen im Stil einer Sozialreportage, kommentierten und unkommentierten Aufzählungen von Fakten, macht das Lesen informativ und spannend zugleich, wirkt rührend und aufklärend, bietet zahlreiche Perspektiven, zeigt die Seiten von Los Angeles, die man aus den Medien zu kennen glaubt und viele, an die man bisher nicht gedacht hat, verschiebt Relationen. Die Sprache ist prägnant und klar, ich empfinde den Schreibstil als erfrischend unpathetisch und kann das Buch jedem empfehlen, der nicht ausschließlich Trivialromane und in sich geschlossene Handlungen liest, denn diese dürften die Handlung als zu zersplittert und die Sprache als zu krass empfinden. Es zeigt einen modernen Blick auf amerikanische Lebensstile und amerikanische Träume, manche werden wahr, manche nicht. Die Kritik bleibt dem Leser überlassen.