Demontage des amerikanischen Traums

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Los Angeles- Die Stadt der Engel, Ort der Traumfabrik Hollywood, mit knapp 18 Millionen Einwohner die zweitgrößte Stadt der USA. Es wurde Zeit, dass sich ein Schriftsteller dieser Stadt widmet. James Frey hat sich dieser Aufgabe angenommen – und zwar auf hervorragende Weise.

Er greift Einzelschicksale verschiedener Bewohner, die teilweise noch nicht einmal mit Namen genannt werden heraus und stellt anhand von diesen exemplarisch das ähnliche Schicksal von vielen Tausenden dar. Angereichert werden diese Lebensgeschichten durch eingestreute lustige bzw. traurige Fakten über LA, Beschreibungen der demografischen Zusammensetzung der Bevölkerung und Schilderungen der einzelnen Viertel des Molochs. Wie ein roter Faden durchziehen den Roman die Geschichten des Ausreißerpärchens Dylan und Maddie, die ihr Glück in Los Angeles versuchen wollen, die des insgeheim homosexuellen Schauspielstars Amberton Park, die der mexikanischen Immigrantentochter Esperanza und die von Old Man Joe, einem vorzeitig gealterten obdachlosen Trinker.

Als Kapiteltrennung für seine teilweise nur eine Seiten langen Episoden benutzt der Autor Anekdoten aus der Geschichte der Megacity, die die Entwicklung vom spanischen Siedlungsdorf zum heutigen urbanen (Alb-)Traum dokumentieren, die den Roman zusätzlich auflockern.

Immer wieder wohnt man dem Schicksal von Menschen bei, die es trotz permanenten Streben nicht schaffen, sich ihren amerikanischen Traum „Alles ist machbar“ zu verwirklichen. Frey zeigt ganz verschiedene Lebensentwürfe unterschiedlicher Menschen, die sich dann meist als undurchführbar erweisen. Desillusioniert zeigt er, dass sich Los Angeles für viele nicht als Traumstadt, sondern als Ort, an dem ihre Träume wie Seifenblasen platzen, entpuppt. Doch das Buch ist nicht immer negativ. Der amerikanische Autor führt dem Leser auch Menschen vor, die es geschafft haben und sich ihren Traum verwirklicht haben und nun ganz oben stehen. Diese Ambivalenz des Buches fand ich sehr stark gemacht und hat mir sehr gut gefallen, da James Frey auch sehr differenziert an seine Geschichte geht.

Was mich bei diesem Buch tief beeindruckte, war die Fähigkeit von Frey, ganze Existenzen und Lebensgeschichten mit nur wenigen Sätzen zu skizzieren, ohne dabei zu oberflächlich zu bleiben – das ist große Literatur! Er schafft es weiterhin auch, dass ich sowohl am Schicksal des mehrfachen High-Society Millionärs als auch an dem des mittellosen jungen Ausreißerpaars  oder dem des Obdachlosen Old Man Joe gleichviel Anteil nahm. Frey nimmt keine moralische Wertung am Handeln der Personen und überlässt dem Leser so viel selbst, z. B. wie er seine Sympathien verteilt und inwiefern das Handeln der Protagonisten moralisch gerechtfertigt ist.

Fazit: Ein hochinteressantes und desillusionistisches Panorama einer Stadt, in der Tausende nach oben wollen und es nur wenige schaffen. Diese Geschichte hat mich tief berührt und sehr zum Nachdenken gebracht!