Los Angeles - Traumstadt oder ...?

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anne2809 Avatar

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Wow, was für ein Buch!
Der Inhalt ist nicht in wenigen Worten zusammenzufassen.
In erster Linie ist es die Sozialstudie einer Stadt.
James Frey erzählt Geschichten. Schicksale von Menschen, die alle in irgendeiner Form versuchen, in Los Angeles ihr Glück zu machen.
Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können.
Da ist zum einen der homosexuelle Filmstar, der sein Doppelleben perfekt inszeniert hat. Für die Öffentlichkeit ist er der treusorgende Ehemann und Vater, insgeheim verbringt er die Zeit mit wechselnden Liebhabern. Das funktioniert so lange, bis er sich ernsthaft verliebt.
Oder Joe, der Obdachlose, der jeden Tag zum Strand geht, seinen Chablis trinkt und eigentlich ganz zufrieden mit seinem Leben ist, bis er auf Beatrice trifft, eine 15jährige drogenabhängige Obdachlose.
Oder Esperanza, Tochter mexikanischer Einwanderer. Völlig ohne Selbstbewußtsein und als billige Arbeitskraft ausgenutzt, findet sie dennoch - fast schon gegen ihren Willen - die große Liebe.
Oder, oder, oder...
Viele andere Personen werden nur am Rande erwähnt, ihr Schicksal ganz kurz gestreift, wie das einer vergewaltigten jungen Frau, die so unter den Folgen der Tat leidet, dass sie sich eine Waffe besorgt. Ob und gegen wen sie sie anwendet, bleibt im Dunkeln.

Eingestreut werden immer wieder Einzelheiten zur Entstehungsgeschichte der Stadt, Statistiken, Beschreibungen der Stadt, ihrer Verkehrswege und Gangs etc.
Keine Seite langweilig, selbst die nüchternsten Fakten sind so beschrieben, dass man gefesselt ist.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal so viel über Los Angeles erfahren würde. Und das alles in einer ziemlich extremen Sprache, ich würde sie als minimalistisch beschreiben. Ganz kurze Sätze, manchmal nur Worte, sogar die Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede werden weggelassen (was nur am Anfang ein wenig störend ist, man gewöhnt sich schnell daran.) Der "verkürzte " Schreibstil bewirkt, dass man das Buch quasi verschlingt, ich habe die knapp 600 Seiten in anderthalb Tagen gelesen.
Und bei allem Negativen, das der Autor beschreibt, finde ich, es ist auch eine Liebeserklärung an eine Stadt, die wohl wie keine zweite den "American Way of Life" verkörpert.
Von mir eine hundertprozentige Leseempfehlung!