Strahlend schöner Morgen - Ein zeitgenössisches Epos

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**Meinung:**

Alles begann mit dem kleinen Dorf _El Pueblo de Nuestra Señora la Reina de Los Ángeles de Porciúncula_: Heute bekannt unter dem Namen **Los Angeles** , eine der vielen schillernden Metropolen der Vereinigten Staaten von Amerika und doch einzigartig. Dort liegt Hollywood und Beverly Hills sowie Santa Monica, wo sich die Stars und Sternchen tummeln. L.A., eine Großstadt, die weltweit bekannt ist für Reichtum, Schönheit, aber auch für Armut und Verbrechen. Allgegenwärtig herrscht tagtägliches reges Treiben, Chaos. Gleichzeitig gilt die Stadt aber auch als Ursprung der weltweit erfolgreichsten Kinofilme.

 

In dieser Stadt leben die unterschiedlichsten Menschen aus verschiedenen Schichten, darunter auch Old Man Joe. Er ist obdachlos. Er übernachtet in der Gästetoilette eines kleinen Ladens. Seinen Vorrat an Chablis versteckt er im Spülkasten, damit ihn kein Fremder findet. Er ist vierzig Jahre alt, sieht aber wie über siebzig aus. Jeden Tag stellt er sich eine einzige Frage und hofft auf Antwort. Dazu begibt er sich in einem täglichen Ritual an den Strand und starrt zum Horizont, der aufgehenden Sonne entgegen. Er bettelt und betrinkt sich – mit Chablis. Eines Tages ändert sich sein Leben vollständig: Ein blutbeschmiertes Mädchen liegt hinter den Mülltonnen vor seiner Gästetoilette.

 

Amberton Parker hingegen hat alles, was man sich nur erträumen kann: Er ist ein weißer Schauspieler, sieht gut aus und ist stinkreich. Mit seiner wunderschönen Frau, die ebenfalls Schauspielerin ist, hat er drei bezaubernde Kinder. Allerdings hat er auch ein Geheimnis, von dem die Öffentlichkeit nichts ahnt: Er ist homosexuell und die Ehe mit Casey führt er nur zum Schein. Eines Tages verliebt er sich in einen afroamerikanischen Footballspieler. Er will ihn unbedingt für sich haben. Schnell wird klar, dass die Welt, in der Amberton lebt, derjenige regiert, der die Macht und das Geld dazu besitzt, sich alles zu erkaufen, was er sich wünscht. Auch auf Kosten seiner Menschlichkeit…

 

Esperanza ist ein Mädchen, deren Eltern aus Mexiko über die Grenze geflohen sind. Dort kam sie auf us-amerikanischen Boden zur Welt, weshalb ihre Familie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten bleiben durfte. Schon seit ihrer Geburt hat Esperanza riesige Oberschenkel, die im Laufe ihres Lebens Grund für Spott und Hohn sind. In ihrem eigenen Zimmer – in dem Haus, das ihre Eltern sich durch harte Arbeit leisten konnten – träumt sie von einer besseren Zukunft. Sie ist sehr gut in der Schule und erhält sogar ein Stipendium. Doch dann landet sie als Putzfrau bei einer weißen, alten, herrischen Dame, welche die junge Frau tyrannisiert, sodass sie sich minderwertig und fehl am Platz fühlt.

 

Diese drei Persönlichkeiten, deren Geschichten erzählt werden, sind nur ein winziger Teil von Figuren, Personen und Leben, von denen James Frey in seinem Buch berichtet. Maddie und Dylan, ein Ausreißerpärchen aus der Kleinstadt und hunderte von Namenlosen, deren Schicksalsschläge wenige Zeilen bis hin zu einigen Seiten füllen. Das Buch erzählt von Menschen mit Träumen und Hoffnungen, von der Zukunft und dem harten Erwachen aus den Wunschvorstellungen, denn nicht jedem ist es vergönnt ein Leben zu führen, wie man es möchte. Ein einziger Tag kann alles verändern.

 

Dieses Werk – das durchaus als zeitgenössisches Epos bezeichnet werden darf – umfasst aber noch weit mehr als fiktive Erzählungen aus Los Angeles. Es ist ein historischer Abriss der Geschichte dieser Großstadt. Es werden Fakten genannt, Zahlen und Namen, Titel und Tatsachen: Straßen- und Verkehrsnetz, Krankenhäuser, Universitäten, Verbrechensrate, Wachstumsquote, Immobilienmarkt, Pornogeschäft, Spielhöllen, Armenviertel, illegale Einwanderung, Flüchtlinge und vieles mehr.

 

Aber auch die lustigen Tatsachen über Los Angeles kommen nicht zu kurz: Mottenjagd im Lichtkegel von Straßenlaternen ist verboten, Luftballons dürfen sich in der Stadt nicht mehr als anderthalb Meter über den Boden erheben und dort gibt es mehr Selbsthilfegruppen für UFO-Entführungsopfer als im restlichen Land.

 

Trotz dieser Anonymität, welche die Stadt zu bieten hat, verleiht der Erzähler jeder einzelnen Figur eine eigene Stimme. Das Sprachniveau, die Textstruktur und die Wortwahl passen sich der Umgebung und dem Charakter desjenigen an, über den erzählt wird.

 

**Fazit:**

James Frey schafft mit seinem Buch ein Werk, das man nicht als _Roadtrip_, sondern als _Urbantrip_ bezeichnen könnte. _Strahlend Schöner Morgen_ verknüpft ein langweiliges Geschichtsbuch, das aus Fakten und Zahlen besteht, mit hunderten von Geschichten von Namhaften und Unbekannten. Es zeigt die Schnelllebigkeit, die Veränderlichkeit und das bunte Treiben der Stadt, was durch den ständigen Wechsel der einzelnen Geschichten dem Leser vor Augen geführt wird. Er erschafft eine Mischung aus Roman und Datensammlung, ein faktenartiges Darstellen von Leben; von Menschen, die mit Hoffnungen nach L.A. kamen und namenlos – anonym – altern und nie das erreichen, was sie sich in jungen Jahren gewünscht haben. Erschreckend, bewegend, realistisch und nicht ganz ohne Zuversicht.