Tausende Schicksale in einer Stadt

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waldeule Avatar

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Ein Mega-Werk über eine Mega-Stadt – dies fällt mir ganz spontan zu dem Buch ein, obwohl ich kein Freund von Superlativen bin. Frey erzählt nicht ein Schicksal, sondern hunderte, wenn nicht sogar tausende. Es sind Geschichten über Menschen wie sie unterschiedlicher nicht sein können, von Kriminellen und Obdachlosen über Einwanderer und Ausreißer bis hin zu Schauspieler und Stars. Er erzählt  aber auch über Straßen und  Stadtteile, über Alltägliches und Außergewöhnliches, über Vergangenheit und Zukunft. In erster Linie erzählt er von einer Stadt – von Los Angeles.

Diese Ansammlung von Einzelgeschichten, mal ausführlicher, mal mit zwei, drei Wörtern treffend skizziert, vermittelt ein umfangreiches Bild vom Leben in einer amerikanischen Megacity. Kaum vorstellbar, aber durchaus faszinierend. Interessante geschichtliche Details werden geschickt mit fiktiven Erzählungen gemischt. Immer dann, wenn ich mich eingelesen hatte, floss das Buch nur so dahin. Allerdings musste ich dazu immer erst eine gewisse Hemmung überwinden, dieses umfangreiche Machwerk in die Hand zu nehmen. Lesefluß wollte sich nicht einstellen, vor allem da die vielen unzusammenhängenden Einzelgeschichten keine Spannung aufkommen lassen. Die vier Erzählstränge, die sich durch das gesamte Buch ziehen, wecken zwar oft den Wunsch weiterzulesen, aber nachdem dann wieder ganz andere Personen auftauchen, geraten die Hauptprotagonisten ins Hintertreffen. Zu viele Namen und dazugehörende Geschichten verwirrten mich und der Versuch auch nur Bruchteile des Gelesenen zu behalten, ermüdet.

Den „strahlend schönen Morgen“ gibt es für die meisten Personen des Buches nur im Hinblick auf das Wetter. Ansonsten handelt es oft von unerfüllten Träumen und gescheiterten Lebensentwürfen. Schade, denn die Ansammlung vieler gescheiteter Existenzen wirkt auf mich mehr abschreckend als anziehend, Lust, selbst L. A. zu besuchen bekomme ich so nicht.

Die Sprache des Buches würde ich als kühl und distanziert beschreiben, was aber durchaus zu den Emotionen des Buches passt. Genauso die abgehackten und kurzen Sätze, die ebenfalls die etwas düstere Grundstimmung unterstreichen. Mit dem Weglassen der Anführungszeichen habe ich mich noch anfreunden können, schließlich war wörtliche Rede zumindest durch neue Zeilen abgesetzt. Nicht aber mit der inflationären Verwendung von „spricht“. Dieses Verb passt für einen Nachrichtensprecher, weniger aber für „normale“ Menschen in „normalen“ Unterhaltungen.

Mit dem Bewerten tat ich mich schwer. Auf der einen Seite diese interessanten Details über viele zahlreiche Leben, auf der anderen die fehlende Spannung. Deswegen gibt’s (goldene Mitte) drei Sterne von mir.

Fazit: Viele kleine Einzelgeschichten in einem großen Werk über eine große Stadt. Faszinierend, aber etwas langatmig ohne Spannung.